Von Ernö und Renate Zeltner
Lina heißen in unserer Zeit beispielsweise die Schauspielerin Lina Carstens und die italienische Regisseurin Lina Wertmüller. Mit einer Lina der besonderen Art aber hat es die Kunst-, Literatur-, Theater- und Menschengeschichte in Gestalt der Karoline Obertimpfler zu tun, die den längsten Teil ihrer Lebens Lina Loos (1882-1950) geheißen hat.
Die Tochter eines bekannten Wiener Delikatessenhändlers und Cafetiers vom »Casapiccola« sowie einer sehr bemerkenswerten Mutter heiratete nämlich 1902 Adolf Loos, der damals durch geradezu revolutionäre architektonische und gestalterische Ideen von sich reden machte. Lina Loos beschreibt in ihrem >Buch ohne Titel< die Szene, die sie direkt nach Eisgrub in Mähren und vor den Traualtar geführt hat. Ihre Schwester hatte sie erstmals in eine typische Wiener Literatenrunde mitgenommen, und außer den beiden jungen Frauen saßen noch Peter Altenberg, Egon Friedell, Karl Kraus und Adolf Loos am Stammtisch des »Löwenbräu«. Lina begegnete ihnen allen zum erstenmal und hielt sich angesichts der geballten Prominenz schüchtern zurück. Loos zeigte den Freunden eine Zigarettendose aus Russland, die ihm wegen ihrer Schlichtheit und Zweckmäßigkeit besonders gut gefiel. Lina wollte sie ansehen und öffnen, doch die Dose brach dabei entzwei. Sie entschuldigte sich tief errötend und brachte nur heraus:
>Und bitte, Herr Architekt, sagen Sie doch, wie ich mich revanchieren kann.< Loos … sah mich ernst an und sagte: >Wollen Sie sich wirklich revanchieren?< Ich atmete auf. >Selbstverständlich gerne !< >So heiraten Sie mich!< Ohne eine Sekunde zu zögern, sagte ich >ja!<. Meine Schwester lachte auf, sie hielt es für einen Scherz – es war keiner! … Es war ein gewöhnlicher Frühlingstag, an dem sich diese außergewöhnliche Begebenheit zutrug. >Im Sommer heirateten wir.<
Die Ehe dauerte nicht lange, und Lina Loos ging ihren Weg allein. Sie wurde Schauspielerin, Kabarettistin, schrieb Essays, Feuilletons, Gedichte, Aphorismen für Zeitschriften. Sie spielte mit Claire Waldoff in Berlin und an der berühmten Wiener Scala. Doch sie verlangte stets die kleinen Rollen, die großen überließ sie eitleren Kolleginnen.
Egon Friedell, den sie an dem erwähnten Verlobungsabend kennenlernte, ist sein ganzes Leben lang ihr schwärmerischer Verehrer geblieben. Sein Liebesbrief von 1914 gehört zu den anrührendsten literarischen Zeugnissen dieses großen Essayisten:
Lina, ich kann mich vor Dir nicht retten! Wohin sollte ich mich auch vor Dir retten! Mit einer Frau kann man fertig werden, sexuell, geistig, seelisch u.s.w., aber Dich liebe ich leidergottes objektiv, als Mensch! Ich glaube, ich weiß, ich fürchte, mit Dir werde ich nie fertig werden! Weil Du eine Wirklichkeit bist. Die >Frau<, die >Liebe< ist ein Phantom, ein vorübergehender Reinigungszustand, ein Rausch, ein Traum, eine Vergiftung, eine Narkose, was Du willst, aber sie ist nichts Wirkliches. Aber von Dir kommt man nicht los. Und gerade ich, der so leicht loskommt, der eigentlich in der Frau nie etwas anderes gesehen hat als eine >Notwendigkeit< oder bestenfalls eine Unterhaltung! Das muß doch seine Gründe haben. Mögest Du glücklich sein: mehr will ich nicht vom Schicksal. Lina soll glücklich sein, so wie sie es versteht, genau so glücklich, Du liebe Lina.
Lina Loos hat einen großen Kreis bedeutender Freundinnen und Freunde um sich geschart, und es gibt eine ganze Sammlung von Briefen großer Zeitgenossen an diese Frau, die von so vielen geliebt und verehrt worden ist. Abgesehen von ihrem Charme, ihrer Intelligenz und ihrem unverwüstlichen Humor war sie ihr Leben lang auch eine Kämpferin für die Rechte der Frauen. Unter den 800 Briefen von Wegbegleitern, die Lina Loos hinterlassen hat, nehmen die ihres Freundes, des österreichischen Lyrikers und Dramatikers Franz Theodor Csokor, einen ganz besonderen Platz ein.
Die Tochter August Strindbergs, mit der Lina ebenfalls befreundet war, hat aus Anlass ihres Todes an Csokor telegrafiert:
Lina war tatsächlich der einzige Mensch, bei dem mir das pompöse Wort vom Ebenbild Gottes immer wieder als allernatürlichstes Eigenschaftswort in den Sinn gekommen ist. Amen.
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