Berühmte Namensträger: Otto

Von Ernö und Renate Zeltner


Unter den historischen Namensträgern gibt es einen bedeutenden Heiligen, mehrere Kaiser, Könige und Herzöge. Der heilige Otto von Bamberg und Apostel von Pommern (1062-1139) wirkte erst als Kaplan am Hof von Polenherzog Wladislaw, dann in der Kanzlei Kaiser Heinrichs IV., ab 1101 als Kanzler des Reiches; bald darauf wurde er Bischof von Bamberg – er ließ den Dom vollenden und zwanzig Klöster errichten. Politisch verdienstvoll war sein Wirken für den Frieden im Investiturstreit (11./12. Jahrhundert) zwischen Kaiser und Papst. Das wohl schwierigste und wichtigste Werk des Bischofs war die Missionierung von Pommern.

Unter den weltlichen, den vier streitbaren Kaisern (Otto I. bis IV.) der deutschen Geschichte, ist der erste nur schwer zu übergehen, der Sachsenkaiser Otto I. (912-973) nämlich; er verdiente sich das Attribut »der Große« auch durch wichtige politische Entscheidungen, vor allem aber durch die für seine Zeit unerlässlichen militärischen Erfolge. Im Innern schränkte er, gestützt auf die Kirche, Macht und Einfluss der Stammesherzöge ein, was zeitweilig die zentrale Königsgewalt stärkte. Otto gründete zahlreiche Bistümer, darunter das Erzbistum Magdeburg, das Ausgangspunkt für die Christianisierung im Osten wurde. 955 machte er auf dem Lechfeld den gefürchteten Ungarneinfällen ein Ende. Im Westen brachte er die französischen Provinzen unter seinen Einfluss; durch zwei Feldzüge dehnte er seine Macht auf Italien aus und ließ sich schließlich 962 in Rom zum deutsch-römischen Kaiser krönen.

Otto von Bismarck
Otto von Bismarck (1886)

Ein Politiker aus neuerer Zeit, der kaisertreu und royalistisch gesonnen war, dessen Entscheidungen aber die deutsche Geschichte und die europäische Staatenwelt bis weit in unser Jahrhundert hinein geprägt haben, ist Otto von Bismarck (1815-1898) gewesen. Als preußischer Ministerpräsident (seit 1862) wie als Gründer und Erster Kanzler des Reiches (1871) hat er die deutsche Nation gespalten. Er verkündete die Sozialistengesetze und schuf doch als erster eine allgemeine Kranken- und Sozialversicherung. Er war zugleich Legitimist, hielt also an der alten Ordnung fest, war auf seine Art aber auch ein Revolutionär; blieb einerseits aufgrund seiner Herkunft als »Junker« und Großgrundbesitzer früheren Jahrhunderten und ihren gesellschaftlichen Vorstellungen verhaftet, erwies sich andererseits als offen für die Erfordernisse der Zukunft.

Dem »eisernen Kanzler« wurde und wird immer wieder die Unbedenklichkeit vorgeworfen, mit der er sich im Zweifel für den Krieg entschieden hat: »Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der Fehler von 1848 und 1849 gewesen –, sondern durch Eisen und Blut«, war seine Devise.

Bereitwillig hat Bismarck Armeen, Menschen in den Krieg geschickt, sich zugleich jedoch eine europäische Friedensordnung zum großen Ziel gesetzt. Er ist als Absolutist und Militarist, aber auch als genialer Staatsmann und Idealist in die Geschichte eingegangen. Dass er außerdem ein großartiger Beobachter, ein humorvoller Erzähler und ein leidenschaftlicher Geist war, kann man seinen >Gedanken und Erinnerungen entnehmen.

Nach den zahlreichen in Kriegshändeln erfolgreichen Herrschern und dem großen Bismarck, für den – wie gehört – Kriege als Mittel der Politik durchaus legitim waren, sollten wir uns noch einem anderen Großen dieses Namens zuwenden – einem, der den Krieg verabscheute und dessen grausame Fratze in vielfältiger Weise gezeigt hat: Otto Dix.

1933 berichtete der neu ernannte Rektor der staatlichen Kunstakademie Dresden namens Richard Müller über die Ausstellung >Spiegelbilder des Verfalls in der Kunst< im >Dresdener Anzeiger<. Ausgestellt waren Exponate, »die der nationalsozialistische Staat als Hüter rein deutscher Art und rein deutschen Wesens ablehnt.« Herr Müller erging sich insbesondere über Dix‘ Bild >Der Krieg< und diffamierte den Maler aufs schändlichste.

»Im Hauptsaal – in der Mitte – wird ihm [dem Besucher] schon wegen der Größe des Formates >Der Krieg< von Otto Dix auffallen … Man sieht auf diesem Bild das Innere eines Schützengrabens nach der Beschießung. Schwerverwundete, Leichen, Leichenteile, zerrissene Schädel liegen in krausem Gewirr durcheinander. Und an einem zerschossenen Kopfe, dessen Gehirn freiliegt, nagt eine Ratte. Eine Schilderung des Krieges, wie sie irgendein rühriger Panoptikumsbesitzer als Attraktion seiner >Kriegsabteilung< einverleiben könnte in der Hoffnung, ein gutes Geschäft zu machen. Der Nervenkitzel, das ist die Hauptsache – ganz einerlei, ob mit den Helden eines Volkes, mit heiligen Toten, ein Handel getrieben wird. Man könnte sich das Gemälde auch als Demonstrationsstück kommunistischer Agitatoren denken, die der aufgepeitschten Menge zurufen, daß hier Leute zu sehen sind, die so dumm waren, ihr Vaterland ausgerechnet im Schützengraben zu verteidigen … Eine gerechte Würdigung würde das Bild erfahren, wenn man es als eine Entwürdigung des gefallenen deutschen Frontsoldaten ansehen wollte – des Frontsoldaten, der doch verdient, daß man ihm nach seinem Heldentode ein ihn ehrendes Denkmal setzt … Welch schwere Schuld haben manche Leute auf sich geladen, als sie ausgerechnet diesen Mann als Lehrer an die Kunstakademie beriefen und so die Jugend jahrelang seinem vergiftenden Einfluß aussetzten, einer Tätigkeit, der durch seine Entlassung im Frühjahr dieses Jahres ein wohlverdientes Ende bereitet worden ist.«

Vom Besuch einer ebenfalls berüchtigten Ausstellung vier Jahre später berichtet der Komponist Werner Egk in seinen Erinnerungen ,Die Zeit wartet nicht<. Diese fand 1937 in München statt und zeigte »entartete Kunst«, die auf den »deutschen Menschen« abschreckend wirken sollte. Die Menschen kamen in Massen, um zu sehen, was ihnen zukünftig vorenthalten bleiben sollte. Dabei fragte Egk den Saalwächter: »Wie gefallen Ihnen die Bilder, die Sie tagtäglich acht Stunden lang vor Augen haben?« »Ja mei«, sagte dieser ohne Hemmung, »je länger i des anschau, desto besser g’fallt’s mir. I war vier Jahr im Krieg an der Front. >Der Krieg< von dem Dix erinnert mich wieder dran, wie’s wirklich war. Und bei dem gekreuzigten Christus mit der Gasmaske und mit der Inschrift drunter >Maul halten und weiter dienen<, da lauft’s mir kalt den Buckel runter.« »Wie reagiert das Publikum?« »Ja prima, begeistert! Die stehn und stehn und schauen und verstehend genau so guat wie i die >Entartete Kunst<.«

Der nächste Saalaufseher äußerte sich noch unverblümter: »Da hams doch amal was Guats g’macht, die Nazis, wo d‘ Leut was zum Nachdenken ham.«

Dies ist nicht der Platz, um das OEvre von Dix, seine vielen Themenkreise, die vom Kriegserlebnis über eigenwillige Porträts bis zu religiösen Bekenntnisbildern reichen, vorzustellen. Das Werk dieses letzten großen Klassikers der modernen gegenständlichen Malerei ist von Berufeneren ausgiebig behandelt worden. Doch dieser Künstler und sein Schicksal stehen zugleich für eine ganze Generation junger Maler, Musiker, Schriftsteller, denen die faschistische Kulturpolitik die Schaffens- und Wirkungsmöglichkeit genommen und nicht selten ihre Lebensgrundlage zerstört hat.