Berühmte Namensträger: Rainer

Von Ernö und Renate Zeltner


Bis ins 19. Jahrhundert erfreute sich der Name ganz besonders in Österreich großer Beliebtheit. So hieß auch ein habsburgischer Erzherzog, Kaiserenkel und von 1860 bis 1865 machtloser Ministerpräsident, Rainer. Heilige beziehungsweise Selige dieses Namens sind vor allem in Italien nachzuweisen. Da lebte beispielsweise im 14. Jahrhundert bei Pisa ein Dominikaner namens Rainer, der fromm und bußfertig war und einmal einem Weinpantscher das Handwerk gelegt haben soll, weshalb eine Wasserflasche zu seinem Wahrzeichen wurde. Sein Namenstag ist der 17. Juni.

Eigentlich hieß er gar nicht Rainer, sondern René, aber der altdeutsche Name erschien ihm klangvoller und edler. Die Rede ist von Rainer Maria Rilke (1875-1926), dem großen Dichter, der – in Prag geboren – in Österreich aufwuchs und in vielen Ländern gereist ist und gelebt hat. Mit seiner anfangs dekadenten, später gefühlvollen und sprachlich ausgefeilten Lyrik hat er auf eine ganze Dichtergeneration gewirkt. Seine späten Werke sind bildreiche Dichtungen in freien Rhythmen von großer Sprachgewalt. Glorifizierendes wurde in diesem Jahrhundert gewiss genug über Rilke geschrieben. Deshalb darf hier zur Abwechslung einmal auch von seinen kleinen und größeren menschlichen Schwächen die Rede sein. Dass Rilke, die empfindsame Seele, der Ästhet, zugleich ein Salonlöwe war, dem die Frauen zu Füßen lagen, hat Claire Göll in ihrer >Chronique scandaleuse< beschrieben; auch sie war eine Zeitlang Rilkes Geliebte, hat ihn aber bei allem leidenschaftlichen Überschwang durchaus kritisch gesehen. Sie wurde von Rilke in der wirren Zeit unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg in seine Wohnung eingeladen, weil sie mit ihm über ihre Gedichte sprechen wollte, und sie ist gleich mehrere Wochen bei ihm geblieben.

Im politisch-revolutionären Klima, das in München herrschte, wirkte Rilkes Wohnung wie eine schillernde Seifenblase, die über allem Aufruhr schwebte … In seiner abgeschirmten Klause, die stets von Frauen belagert war, stellte man sich den Dichter meist hungrig und durstig vor. Dabei war er ein echter Feinschmecker, der mich in Luxusrestaurants führte, während die Leute in München und dem übrigen Deutschland vor den Bäckereien Schlange standen, um einen Laib Schwarzbrot zu ergattern … Obendrein war es seine Leidenschaft, den Tisch zu decken. Er verbrachte Stunden damit, gestickte Tischtücher passend zum erlesenen Porzellan auszuwählen. Ich habe nie wieder einen so ausgesuchten Geschmack bei einem Mann gefunden. Das erklärt vielleicht auch seine Bewunderung für Schlösser, wo beim Tischdecken harmonische Meisterwerke von stummen und unterwürfigen Lakaien zustande gebracht wurden.

An anderer Stelle beschreibt die einstige Gespielin des Dichters, dass Rilke nicht nur höchst empfindlich, sondern auch hochgradig eitel war und es sich nur zu gern gefallen ließ, im Mittelpunkt zu stehen:

Große Empfänge behagten ihm. Gefeiert, umschmeichelt, von Prinzessinnen angehimmelt, ging er selbst vor jeder Null in die Knie. Er, der von Natur diplomatisch, aber nicht berechnend war, wurde es in diesen Kreisen. Er kam großartig mit jedem betitelten Hohlkopf zurecht.

Rainer Maria Rilke
Rainer Maria Rilke (Portrait: Paula Modersohn-Becker, 1906)

Das Ende seines Lebens verbrachte der heimatlos gewordene Rilke in der Schweiz, in Abhängigkeit von reichen Gönnern. Die großen gesellschaftlichen Umbrüche, die der Erste Weltkrieg und die Nachkriegszeit mit sich brachten, haben ihn kaum tangiert. Sogar seinen sehr prosaischen Tod – er starb an Leukämie – wollte der Schöngeist sich und seinen Mitmenschen verklären, indem er behauptete, er leide an einer tödlichen Verletzung durch die Dornen einer Rose, die ihm seine letzte Geliebte aus Ägypten geschickt habe.