Berühmte Namensträger: Ignaz

Von Ernö und Renate Zeltner


Auf diesen Namen, der wegen der Verehrung, die der heilige Ignatius von Loyola im süddeutschen Raum genoss, dort besonders populär war, tauft man Jungen heute so gut wie gar nicht mehr, obwohl so viele ihre Existenz einem Ignaz verdanken, nämlich Ignaz Semmelweis, dem Retter der Mütter. Doch bleiben wir noch einen Augenblick bei dem Heiligen, dessen Laufbahn als Höfling und von den Schönen der Gesellschaft umschwärmter Kavalier begann und der als draufgängerischer Offizier so oft dem Tod ins Auge sah. Er zog nach Erweckungserlebnissen als bettelnder Büßer durch Europa, erkannte aber die Notwendigkeit einer gediegenen Ausbildung und absolvierte deshalb noch als Erwachsener umfangreiche Studien. Die seltsame Mischung aus verzückter Heiligkeit, fast preußisch anmutendem Militarismus und bedingungsloser Unterwerfung nahm Papst Paul III. für ihn und seine Ideen zur Gründung einer »Compania de Jesus« ein, die 1540 in Rom bestätigt wurde. Der Ordensobere war kein Abt, sondern General (sein Fest wird am 31. Juli gefeiert).

Kritisch, aber durchaus realistisch sind in der >Kulturgeschichte der Neuzeit< des scharfzüngigen Egon Friedell Zielsetzung und Strukturen, vor allem aber das Wirken des bald weltumspannenden und unvorstellbar einflussreichen Jesuitenordens beschrieben:

Die Jesuiten haben viel Verderbliches und viel Wohltätiges, viel Edles und viel Böses vollbracht; aber alles, was sie taten, haben sie so gut gemacht, als es überhaupt möglich war. Sie waren die glänzendsten Kavaliere und die strengsten Asketen, die aufopferndsten Missionare und die gerissensten Kaufleute, die ergebensten Dienstboten und die gewieftesten Staatslenker, die weisesten Seelsorger und die geschmackvollsten Theaterregisseure, die tüchtigsten Ärzte und die geschicktesten Mörder.

Der Satz vom Zweck, der die Mittel heiligt, steht zwar nicht ausdrücklich in ihrer Ordensregel, fand aber in der Ordensgeschichte oft skrupellose Anwendung. Jesuiten waren die geheimen Ratgeber und Beichtväter der Herrschenden, und sie nutzten die ihnen daraus erwachsende Macht, um zu glätten und zu vertuschen, immer auch, um in ihrem Sinne Einfluss zu nehmen. So wurden sie zu Vollstreckern der Gegenreformation, zu Universitätsgründern, zu Fürstenerziehern und Missionaren.

An Zielstrebigkeit und Rigorosität in der Durchsetzung des einmal als richtig erkannten Weges aber ist Ignaz Semmelweis so manchem eifernden Jesuiten gewiss nicht nachgestanden.

Mörder! So nenne ich alle, die gegen die Vorschriften verstoßen, die ich zur Verhütung des Kindbettfiebers gegeben habe.

Mit solch unerbittlicher Härte kämpfte Semmelweis für seine Überzeugung und Lehre, attackierte vor allem die Wiener Kollegen und Professoren, die in der Geburtshilfe tätig waren, weil sie seine Entdeckung ignorierten oder argwöhnisch ablehnten. Semmelweis hat 1847 die Berührungsinfektion als Ursache des tödlichen Kindbettfiebers erkannt; zu seiner Verhütung verlangte er von allen untersuchenden und behandelnden Medizinern und dem Personal peinlichste Sauberkeit und die Desinfektion der Hände sowie der benutzten Instrumente mit Chlorkalklösung. Das Wochenbettfieber war damals in aller Welt eine der häufigsten Todesursachen bei Frauen. Während seiner Tätigkeit an der ersten Gebärklinik in Wien war fast jede dritte Wöchnerin gestorben. Und Semmelweis griff auch namhafte Kapazitäten des Fachs direkt in offenen Briefen an, weil sie seine lebensrettenden Maßnahmen ablehnten und andere Erklärungen für die Kindbettseuche suchten:

Ihre Lehre führt zur Ermordung der Wöchnerinnen, und, nachdem ich den unerschütterlichen Entschluß gefaßt habe, dem Morde ein Ende zu machen, so trete ich diesen Ihren mörderischen Irrthümern entschieden entgegen.

Ignaz Semmelweis (1818-1865) hatte in Budapest und Wien einige Semester Jura, dann Medizin studiert. Er ließ sich in der Geburtshilfe und Chirurgie ausbilden. 1846 wurde er Assistent von Professor Klein an der Geburtshilfeklinik des Wiener Allgemeinen Krankenhauses. Hier kam er den infektiösen Ursachen des Wochenbettfiebers auf die Spur, indem er herauszufinden suchte, warum in der Ärzteklinik dreimal mehr Wöchnerinnen starben als in der Hebammenklinik: In dem einen Gebärhaus untersuchten (und übten) auch angehende Mediziner, die oft direkt aus dem Sezierraum der Anatomie kamen, im anderen die Hebammen-Schülerinnen, die nicht sezierten. Semmelweis hat die Erreger (Streptokokken und Staphylokokken) des Kindbettfiebers nicht entdeckt – sie allerdings auch nicht gesucht. Entscheidend war, dass er die Infektionsquelle gefunden und wirkungsvolle Schutz- und Vorbeugemahnahmen gegen diese Geißel der Wöchnerinnen veranlasst und propagiert hat.

Ignaz Semmelweis
Ignaz Semmelweis, 1860

1850 konnte sich Semmelweis habilitieren, doch da er in Wien für sich keine Perspektive sah, ging er, nun Privatdozent, in seine Heimatstadt Pest zurück und wurde 1855 Professor für Geburtshilfe an der medizinischen Fakultät der Universität – auch dort kämpfte er weiter für die Anerkennung seiner Lehre. Doch trotz aller Erfolge, trotz der kämpferischen »Offenen Briefe« blieb die Anerkennung der Kollegen für seine Großtat aus. Erst zwanzig Jahre nach seinem Tod wurde die neue Lehre von der Bedeutung der Asepsis (Keimfreiheit) anerkannt. Postum – Semmelweis starb 47jährig an der progressiven Paralyse (Gehirnerweichung als Spätfolge einer Syphilisinfektion) – gab man ihm den Ehrentitel »Retter der Mütter«.