Von Ernö und Renate Zeltner
Kurt ist nur die verselbständigte alte Kurzform von Konrad, und so wird man für die Träger dieses Vornamens vergeblich einen Namenspatron unter den Heiligen suchen. Doch Kurt war im 19. Jahrhundert und auch danach so verbreitet, dass man nicht lang in seinem Gedächtnis zu kramen braucht, um auf bedeutende, bekannte oder berüchtigte Namensvettern zu stoßen – Schriftsteller, Musiker, Schauspieler und Politiker.
Auf der Suche nach einem besonders verdienstvollen Politiker können Kurt Georg Kiesinger oder auch der Österreicher Kurt Waldheim getrost übergangen werden; doch da ist Kurt Schumacher, die Vaterfigur der Sozialdemokraten nach dem Krieg:
Die politischen Aktivitäten des Kriegsteilnehmers Schumacher, der Rechtswissenschaft und Nationalökonomie studiert hatte, begannen schon in der Revolutionszeit nach dem Ersten Weltkrieg – er wurde Mitglied des Großberliner Arbeiter- und Soldatenrates. Dann war er langjähriger Redakteur des SPD-Blattes >Schwäbische Tagwacht<, mit 35 Jahren gehörte er bereits dem Reichstag an und zählte dort zu den »militanten Sozialisten« der Fraktion. In seiner ersten Reichstagsrede 1932 heißt es unter anderem: »Die ganze nationalsozialistische Agitation ist ein dauernder Appell an den inneren Schweinehund im Menschen.« Schumacher zahlte für seine Gesinnung später einen hohen Preis. Mit einer kurzen Unterbrechung verbrachte er die ganze Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in verschiedenen KZs, davon acht Jahre in Dachau. Gesundheitlich schwer beeinträchtigt, blieben ihm nach dem Krieg nur noch wenige Jahre, um für seine politischen Ziele zu kämpfen. Er starb nach einem vorausgegangenen Schlaganfall mit nur 57 Jahren. Schumacher war der erste Vorsitzende der Partei nach 1945 und wohl auch der Erste unter den verantwortlichen Politikern, die die Organisation eines demokratischen Neuaufbaus des Landes in die Hand nahmen. Der Pfarrer und ehemalige Berliner Bürgermeister Heinrich Albertz berichtet in seinem Rückblick >Am Ende des Weges< über seine erste Begegnung mit dem faszinierenden Mann und Genossen:
Vom ersten Augenblick an war ich seiner Wirkung erlegen: dieser scharfe Verstand, diese präzisen Fragen, diese Art, Hoffnung zu vermitteln, nüchtern, aber unbedingt, auch sehr anspruchsvoll. Dieser Mann, hager, ja mager, mit seinem einen Arm – später sollten sie ihm auch noch ein Bein abnehmen. Da saß die Hoffnung des Vaterlandes, amputiert wie unsere Heimat. Er gewann mich im Sturme.
Und Carlo Schmid berichtet aus der ersten Nachkriegszeit:
Wie oft bin ich, noch vor meiner Wahl in den Parteivorstand im Jahr 1947, zu Kurt Schumacher nach Hannover gefahren! Jedesmal bewegte mich die Menschlichkeit dieses Mannes aufs neue, in dessen Schicksal sich das Schicksal der deutschen Nation verkörpert zu haben schien; immer wieder beeindruckte mich die Schärfe dieser Intelligenz, und immer wieder drückte mich die Sorge, dieser geschundene Körper könnte eines Tages den Dienst versagen, den diese große Seele ihrem Volk zu schulden glaubte.
Schumacher war, obwohl schwer krank, der gefürchtete Widerpart von Konrad Adenauer im Bundestag, dem er bei der Kanzlerwahl 1949 mit nur einer Stimme (darunter Adenauers eigene) unterlag. Schumacher widersetzte sich strikt einer Zusammenarbeit oder gar dem Zusammengehen der SPD mit den Kommunisten, und er lehnte einen westdeutschen Teilstaat sowie die einseitige Westintegration ab. Auf die Beratungen zum Grundgesetz hat er vom Krankenbett aus nur über Männer seines Vertrauens Einfluss nehmen können; wesentliche Vorstellungen, wie die Schaffung einer sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, konnte er nicht durchsetzen.
Ein Kurt von ähnlicher Gesinnung, der aber mit ganz anderen Mitteln für sie focht, war Kurt Tucholsky: Pazifist und Sozialist aus Überzeugung, aber vor allem Satiriker und Gesellschaftskritiker mit messerscharfen Waffen. Unter einem seiner vielen Pseudonyme schrieb er einmal Anfang der dreißiger Jahre:
»Satire hat eine Grenze nach oben: Buddha entzieht sich ihr. Satire hat auch eine Grenze nach unten. In Deutschland etwa die herrschenden faschistischen Mächte. Es lohnt nicht – so tief kann man nicht schießen.«
Seine engagierten Artikel gegen Faschismus und Nationalsozialismus, vor allem aber sein Buch Deutschland, Deutschland über alles< mit provozierenden Illustrationen von John Heartfield führten dazu, dass seine Veröffentlichungen 1933 verboten, seine Bücher verbrannt und auch alle seine Tantiemen beschlagnahmt wurden, der ausgebürgerte, gesundheitlich und finanziell ruinierte Tucholsky verstummte und schied 1935 in Schweden freiwillig aus dem Leben. Der Sohn aus gutbürgerlich jüdischem Haus hatte noch vor Abschluss seines Jurastudiums seinen ersten Bucherfolg mit >Rheinsberg – ein Bilderbuch für Verliebte<. Das Büchlein fand reißenden Absatz und wird bis heute gern gelesen.
Tucholsky war Weltkriegsteilnehmer, danach Chefredakteur des >Ulk<, der im gleichen Haus wie das >Berliner Tageblatt< erschien. Er schrieb unter mehreren Pseudonymen über große Ereignisse und kleine Randerscheinungen, verfasste bissige politische Kommentare, Essays und Geschichten. Und die Spielerei mit den verschiedenen Namen wurde allmählich zur nützlichen Praxis, »denn wer glaubt in Deutschland einem politischen Schriftsteller Humor? Dem Satiriker Ernst? Dem Verspielten Kenntnis des Strafgesetzbuches, dem Städteschilderer lustige Verse? Humor diskreditiert.« Von 1924 bis zu seiner Übersiedlung nach Schweden lebte Tucholsky vor allem in Paris als Korrespondent der >Weltbühne< und der >Vossischen Zeitung<. 1931 erschien bei Rowohlt, wo Tucholsky mittlerweile eine Art Hausautor geworden war, sein erfolgreichstes Prosastück >Schloß Gripsholm<, eine bezaubernde Liebesgeschichte voller Charme und Leichtigkeit; sie wurde und wird noch heute zu Hunderttausenden gedruckt. Da zu diesem Roman auch ein Stück Entstehungsgeschichte existiert, soll es erlaubt sein, diesen privaten Befruchtungsakt zu zitieren:
Lieber Herr Tucholsky,
schönen Dank für Ihren Brief vom 2. Juni. Wir haben Ihren Wunsch notiert. Für heute etwas andres.
Wie Sie wissen, habe ich in der letzten Zeit allerhand politische Bücher verlegt, mit denen Sie sich ja hinlänglich beschäftigt haben. Nun möchte ich doch aber wieder einmal die >schöne Literatur< pflegen. Haben Sie gar nichts? Wie wäre es denn mit einer kleinen Liebesgeschichte? Überlegen Sie sich das mal! Das Buch soll nicht teuer werden, und ich drucke Ihnen für den Anfang zehntausend Stück. Die befreundeten Sortimenter sagen
mir jedesmal auf meinen Reisen, wie gern die Leute so etwas lesen. Wie ist es damit?
Sie haben bei uns noch 46 RM gut – wohin sollen wir Ihnen die überweisen?
Mit den besten Grüßen
Ihr Ernst Rowohlt
Lieber Herr Rowohlt,
Dank für Ihren Brief vom 8.6.
Ja, eine Liebesgeschichte … lieber Meister, wie denken Sie sich das? In der heutigen Zeit Liebe? Lieben Sie? Wer liebt denn heute noch?
Dann schon lieber eine kleine Sommergeschichte.
Die Sache ist nicht leicht. Sie wissen, wie sehr es mir widerstrebt, die Öffentlichkeit mit meinem persönlichen Kram zu behelligen – das fällt also fort. Außerdem betrüge ich jede Frau mit meiner Schreibmaschine und erlebe daher nichts Romantisches. Und soll ich mir die Geschichte vielleicht ausdenken? Phantasie haben doch nur die Geschäftsleute, wenn sie nicht zahlen können. Dann fällt ihnen viel ein. Unsereinem …
Ihr Tucholsky
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