Von Ernö und Renate Zeltner
Der Name war im gesamten Mittelalter beliebt, vermutlich aufgrund des strahlend tapferen Helden der Siegfriedsage, die auch dem Nibelungenlied zugrunde liegt.
Mut setzte aber sicherlich auch die Missionierung der »Nordmannen« voraus, die der ursprünglich aus England stammende heilige Sigfrid von Schweden im Auftrag des Norwegerkönigs Olaf II. betrieb. Er predigte, taufte und verkündete die christliche Botschaft in Norwegen und Schweden und gründete das erste schwedische Bistum. Sein Fest feiert die Kirche am 15. Februar.
Doch zurück zu Siegfried dem Helden. Wenn man wissen will, was es mit ihm tatsächlich auf sich hat, muss man ins finsterste Mittelalter hinabtauchen – nämlich dorthin, wo all die Sagen und Heldenlieder gründen, die vom Mythos der Nibelungen, von Zauberschwertern und Tarnkappen erzählen. Friedrich Hebbel hat sich hier für sein einschlägiges Drama ebenso bedient wie Richard Wagner für den >Ring des Nibelungen<. Die braunen Ideologen unseres Jahrhunderts aber beschworen die nirgends nachweisbare Nibelungentreue als deutscheste aller Tugenden.
Historisch nachweisbar sind allenfalls die Gestalten der Burgunderkönige (wohl im 5. Jahrhundert), die in einer Schlacht gegen die Hunnen gefallen sein sollen; und dann natürlich die Figur des Hunnenkönigs Attila respektive Etzel. Gewalttätig und rachsüchtig aber sind sie sicher alle gewesen, unsere germanischen Altvordern, die uns seit Jahrhunderten als Ausbünde von Tapferkeit und Manneskraft wortreich gepriesen werden.
Und die Sagengestalt des Siegfried? Der Königssohn aus den Niederlanden, vielleicht ein Merowinger, warb um Kriemhild, die schöne Schwester der Burgunderkönige Gunther, Gernot und Giselher. Interessant an dem Freier dürfte für Bruder Gunther vor allem gewesen sein, dass Siegfried im Besitz des Zauberschwertes Balmung und der Tarnkappe des Zwergs Alberich war. Außerdem galt er als unverwundbar, seit er in Drachenblut gebadet hatte – leider ist ihm eine Art »Achillesferse« zwischen den Schulterblättern geblieben, nämlich dort, wohin während des stählenden beziehungsweise hörnenden Bades ein Lindenblatt gefallen war.
Immerhin konnte Superman Siegfried im Schutz seiner Tarnkappe für den nicht ganz so mannhaften Germanenkönig Gunther die bärenstarke Brunhilde gefügig machen. Dieser schönen Walküre, die eigentlich einer höheren Wesensart zugehörig und darin Held Siegfried verwandt war, schwante, dass bei Werbung und Hochzeitsnacht nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein dürfte; und auch, dass nicht Gunther, sondern Siegfried sie – wie schon sein Name sagt – besiegt hatte.
Und dann goss – Jahre nach der prächtigen königlichen Doppelhochzeit – Kriemhild nach Frauenart Öl ins Feuer und plauderte auf den Stufen des Wormser Doms im Streit mit Brunhilde aus, daß der damals gerade unsichtbare Siegfried sie, die Königin, gefügig gemacht hatte. Rache war angesagt – bis aufs Blut natürlich. Und die Tragödie nahm ihren verhängnisvollen Lauf. Hagen, einer aus dem Gefolge Gunthers, tötete Siegfried, nachdem ihm zugetragen worden war, wo der seine weiche Stelle hatte. Und damit wäre alles Wissenswerte über Siegfried und seine (mögliche) Geschichte gesagt, wenn es nicht noch ein so legendenträchtiges Nachspiel gegeben hätte:
Kriemhilds trauerndes und zunehmend versteinerndes Herz schrie nach Rache. Sie heiratete zunächst den Hunnenkönig Etzel. Und dann folgten die Burgunder mit ihrem Gefolge ihrer Einladung an Etzels Hof in Ungarn, nahmen – zur Freude der Fremdenverkehrsstrategen von heute – den langen Weg über die Nibelungenstraße, immer der Donau nach, und alles kam genauso dramatisch, wie es kommen musste. Der Nibelungen Not folgte nach grausigem Gemetzel der Tod aller Beteiligten, und den diversen Chronisten blieb nur noch die strophenreiche Klage, die Jahrhunderte überdauert hat und heute noch den Gymnasiasten in der Mittelstufe droht.
So weit in Kürze die Antwort auf die Frage, warum dem Siegfried, wie auch dem Mädchennamen Kriemhild, ein gewisses Blut-und-Boden- Image anhaftet und warum er einen Jüngling zu sieghafter Tapferkeit und möglichst hünenhafter Gestalt verpflichtet. Nicht jeder Namensträger kann solchem Anspruch genügen.
Die Tatsache, dass man im Ersten Weltkrieg das Stellungssystem zwischen Chemin des Dames und Lille und im Zweiten den Westwall auch »Siegfriedlinie« nannte, beweist, was beim Klang des Namens Siegfried alles mitschwingt.