Island und seine Namen: Wo Nachnamen nicht mitspielen

Island und seine Namen

In Island weicht die Namensgebung deutlich von dem ab, was wir aus Mitteleuropa kennen. Feste Familiennamen spielen dort traditionell keine Rolle. Stattdessen werden Kinder nach ihren Eltern benannt. So entsteht in jeder Generation ein neuer Nachname.


Patronymik als lebendige Tradition

Die isländische Patronymik – also die Bildung des Nachnamens aus dem Vornamen eines Elternteils – ist ein Relikt aus alten Sprach- und Namenschichten und bis heute produktiv. Ein Sohn von Jón heißt Jónsson, eine Tochter Jónsdóttir. Dieses System, das es früher auch in Teilen Schottlands („Mac-“) oder Norddeutschlands (Jensen, Petersen usw.) gegeben hat, hat sich auf Island aufgrund der Insellage und der vergleichsweise kleinen Bevölkerung ohne Unterbrechung erhalten.

Für Namensforscherinnen und -forscher bietet Island zudem ungewöhnlich klare Arbeitsbedingungen: Es existiert nur ein zentrales Telefonbuch für die rund 330.000 Einwohner. Die Sortierung erfolgt jedoch nicht nach den Nachnamen, sondern nach den Vornamen – ein Hinweis darauf, welche Rolle der Vorname im gesellschaftlichen Alltag spielt.

Sprache als Identitätsmerkmal

Neben der Namenpraxis ist auch die isländische Sprache selbst ein wichtiger Identitätsfaktor. Sie hat ihre komplexe Grammatik – mit vollständigen Flexions- und Deklinationssystemen – bewahrt und unterscheidet sich damit deutlich von den anderen skandinavischen Sprachen, die im Laufe der Zeit stärker vereinfacht wurden.

Wandel durch Politik und Gesellschaft

Die Namensgebung in Island ist nicht statisch, sondern spiegelt historische Entwicklungen wider: den Kampf um die Unabhängigkeit von der dänischen Krone (bis 1944), Diskussionen über Einwanderung sowie die Emanzipation der Frauen. Diese Faktoren haben die Gesetzgebung mehrfach beeinflusst.

Gesetzliche Entwicklungen

1913: Das erste isländische Namensgesetz erlaubte Familiennamen, die aus Vaternamen, Hof- oder Landschaftsbezeichnungen oder Beinamen gebildet wurden.

1925: Eine Verschärfung untersagte die Neuregistrierung von Familiennamen.

1991: Das Parlament (Althing) stellte Metronymika – Nachnamen nach der Mutter – den Patronymika gleich. Gleichzeitig wurden bestehende Familiennamen „amnestiert“, das heißt: Sie durften beibehalten werden. Zudem wurde Einwanderern gestattet, ihre bestehenden Nachnamen zu behalten. Bis dahin war die Annahme eines isländischen Namens Voraussetzung für die Einbürgerung gewesen.

1996: Präzisierung der Regeln: Erlaubt sind seither ein bis drei Vornamen, ein Mittelname sowie ein Nachname, sofern dieser bereits existiert. Neue Familiennamen dürfen weiterhin nicht eingeführt werden. Jede Person darf ihren Nachnamen einmal im Leben ändern, etwa vom Vater- zum Mutternamen. Auch der Vorname der Eltern kann – im Genitiv – als Mittelname verwendet werden.

Die isländische Namenspraxis ist ein einzigartiges Beispiel für die Verbindung von Tradition, Sprache und gesellschaftlicher Entwicklung. Sie zeigt, wie lebendig ein Namenssystem sein kann, wenn es nicht auf dauerhafte Familiennamen, sondern auf die individuelle Zuordnung zu den Eltern setzt.

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