Kleine Geschichte der Namengebung – Teil 2: Christliche Namen

eschichte der Namengebung

von Christian Friedrich Lindau

Erste Christianisierungswelle

Noch zur Karolingerzeit sind christliche Namen im deutschen Sprachraum außerordentlich selten. Die erste Welle christlicher Namen verläuft sich Anfang des 11. Jahrhunderts, ohne den germanisch-fränkischen Namenbestand wesentlich verändert oder verdrängt zu haben. Vor allem Namen aus dem Alten Testament sind aus dieser ersten Christianisierungswelle des Namenbestandes überliefert: Aaron, Abraham, Adam, Daniel, David, Elias, Isaac, Moses, Salomon, Samuel. Daneben auch einige aus dem Neuen Testament wie Andreas, Johannes, Marcus, Petrus, Simon, Stephanus aber auch Zacharias. Unter den Frauennamen waren die christlich geprägten noch seltener als bei Männern; überliefert sind aus der Frühzeit Susanna, Judith, Petrissa, Elisabeth, Beata, Christina.

Aufkommende Heiligenverehrung

Vom späten 12. Jahrhundert an überrollt die zweite Welle christlicher Namen den deutschen Sprachraum. Sie steht in Zusammenhang mit der aufkommenden Heiligenverehrung. Rufnamen aus dem Neuen Testament werden beliebt. Aus dem Raum des Klosters Heisterbach belegt eine Statistik, wie die Namen aus germanischen und christlichen Quellen verteilt waren und welche Veränderungen sich zwischen 1200 und 1500 vollzogen haben. Waren um 1200 ganze 5 Prozent der männlichen Vornamen christlich geprägt, so waren es 150 Jahre später schon 30 Prozent und um 1500 rund 60 Prozent. Noch eindrucksvoller fällt die „christliche Wende“ bei den weiblichen Vornamen aus. Immerhin schon 15 Prozent der Mädchen bekamen um 1200 christliche Vornamen, 150 Jahre später hielten sich christlich geprägte und germanische Vornamen etwa die Waage und um 1500 waren bereits 90 Prozent aller weiblichen Vornamen christlich geprägt. Daran hat sicher auch das Frauenbild der Kirche mitgewirkt, das zum Ausgang des Mittelalters die Rolle der Frau als Dulderin und Dienerin ziemlich eindeutig definierte. Zu diesem Frauenbild dürften Erinnerungen an weibliche Wehrhaftigkeit wie bei den Namen Gudrun und Siegrun (Zusammensetzungen aus „Kampf“ und „Sieg“ mit „Geheimnis, Zauber“) oder gar bei der gepanzerten Kämpferin Brunhilde nicht mehr recht gepasst haben.

Germanische Stammbetonung

Die Orden der Bettelmönche taten viel für die Ausbreitung der Heiligenlegenden und -namen. Die Kreuzfahrer schließlich brachten nicht nur Reliquien, sondern auch Legenden der Ostkirche, griechische und orientalische Namen mit nach West- und Mitteleuropa. Doch erst nach dem Trienter Konzil von 1563 verlangte die katholische Kirche ausdrücklich, der dem Täufling beigelegte Name solle „von Männern und Frauen genommen werden, die durch ihren frommen und gottesfürchtigen Wandel zu den Heiligen gerechnet werden“.

Protestantische Namensgebung

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Reformation in Deutschland mit der Heiligenverehrung bereits gebrochen; die Namengebung in den protestantischen Gegenden speiste sich aus anderen Quellen und Motiven. Doch natürlich kennen auch die evangelischen Kirchen verehrungswürdige Leitbilder und Glaubenszeugen, derer im Lauf des Kirchenjahres gedacht wird. Im ökumenisch orientierten Evangelischen Namenkalender von 1984 gibt es immerhin 138 Gedenktage, die mit denen der römisch-katholischen Kirche übereinstimmen; so bleibt auch hier die Erinnerung an die seit alters verehrten Heiligen lebendig. Jedoch ist dieser Kalender weder als Namenstagskalender im Sinne der katholischen Heiligenverehrung aufzufassen, noch wird seitens der evangelischen Kirchen ausdrücklich dazu aufgefordert, ausschließlich diese Namen zu wählen.

Andere Einflüsse

Dort, wo die Deutschen heute leben, waren die Kelten schon eher als die Germanen. In Westdeutschland – im Grenzgebiet zu Belgien – haben sich Reste keltischer Namenbildung lange gehalten.
Stärker noch sind die sprachlichen Spuren, die sich in den ehemals slawischen Siedlungsgebieten in Ost- und Ostmitteldeutschland – vor allem bei Orts-, Landschafts- und Personennamen – der deutschen Sprache aufgeprägt haben. Erkennbar sind sie immer noch an Namen wie Wenzel (Kurzform von Wenzeslaus, was wiederum die latinisierte Form des tschechischen Václav ist, eine Zusammensetzung aus „mehr“ und „Ruhm“) oder Stanislaus (latinisierte Form des polnischen Stanislaw, eine Zusammensetzung aus „werden“ oder „Festigkeit“ und „Ruhm“). Kein Wunder: Wurde doch in der Mark Brandenburg bis ins 19. Jahrhundert das Wendische (Sorbische), eine slawische Sprache, in weiten Landstrichen noch gesprochen und bis heute gibt es in Südostbrandenburg und Ostsachsen ein geschlossenes sorbisches Siedlungs- und Sprachgebiet.

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Quelle: Christian Friedrich Lindau – Die schönsten Vornamen für Ihr Baby, © Urania Verlag, Stuttgart