Die sogenannte „Geschichtklitterung“ von Johann Fischart (1560 bis 1590) ist eines der bedeutendsten Werke der Literaturgeschichte im deutschen Sprachraum des 16. Jahrhunderts. Im Kern handelt es sich um eine freie Nachdichtung des französischen Romans „Gargantua“. Johann Fischart hat den ursprünglichen Umfang dieses satirischen Romans in seiner „Geschichtklitterung“ aber durch zahllose Exkurse vervielfacht. So macht er sich im zehnten Kapitel über die damaligen Vornamenmoden lustig, speziell zieht er über Georg Witzel her, mit dessen Büchlein „Auserlesene Taufnamen der Christen in aller Welt“ Fischart wohl gar nicht einverstanden war.
Ein Blick in den Originaltext der Geschichtklitterung wird den unvorbereiteten Leser erschrecken, denn die Sprache ist mehr als ungewöhnlich. Im Folgenden haben wir den Vornamen-Abschnitt des Textes teilweise umformuliert und an die derzeitig übliche Rechtschreibung angepasst und so hoffentlich etwas zugänglicher gemacht. Verbesserungsvorschläge sind sehr willkommen!
Johann Fischart: Geschichtklitterung, Zehntes Kapitel
Mit was Gelegenheit dem Gurgellantua, der Nam war gegeben
Als der gute Mann das schreckliche Geschrei vernahm, welches sein Sohn, als bald er an das Licht der Welt kam, ausließ, sprach er gleich, wie hast so gar ein groß Gorgelstrosen.
Darauf schloss gleich der ganze Umstand und Umsitz einhellig, dass dieser durstige Schreiling darum den Namen Gorgellantua oder Gurgelstrozza tragen müsste, weil dieses das erste Wort seines Vaters zu seiner Geburt gewesen, gleich wie dem König Xutho sein erster Sohn alsbald vom Gohn musste Jon heißen, weil der oraculische Geist, den er um Erben fragt, durch oraculi ihn gehen hieß: daher ist danach das ganze Land Jonien genannt worden. Dann also auf diese Weise haben die alten Hebräer ihren Kindern Namen angeeignet, und dieselbige nach Gestalt der Sache auf ihre Sprache gegeben. Derhalben hielt Großkälier diesen des weinverzuckten Völkleins gemeinen Rat für ein gutes Zeichen, dass ließ ihr auch die Mutter nicht missfallen. Denn die Mütter haben das Recht den Kindern Namen zu geben, und es missfällt unseren Gnaden auch nicht, dass man von einem besonderen unversehenem Fall einem Kind den Namen aufsetze.
Unangesehen was Georg Witzel hier von witzelt, welcher meint, man soll die Kinder alle lateinisch auf ein us und sus nennen, gleich wie man sie Latein tauft: Ja auf Welsch Ceco und Beco, Malatesta, Malespina, Malestroit, Sansvin. Hei warum nicht auf türkisch und slawisch Baiazet, Zisca und Rockenzan, sie sind je auch fremd. Aber er meint Henckel, Hubelt, Del, Gele, Metz, Leis, lauten schrecklich in seinen sirenischen Ohren, und machen einen bei den Leuten nicht angenehm. Wie dann? Tut es ihm so wohl in seinen priscianischen Witzohren, wann man die Susnamen so schön vergorgelet, verjörgelet, verjoeelet unnd verhundstutzet, Hen, Trebes, Debes, Kres, Gruner, Sar, Sechel, Craz, Nys, Gilg, Ciliox, Fester, Bestel, Lentz, Bläß, Veitz, Lips, Brosi, Tönge, Bentz, Jost, Luz, Trin, Zilg, Plön, Gret, Kön, Len, Seicken, Nes, Dörle, Zoff etc. Sollen diese gemarterten Wörter einen angenehm machen, da sie doch keiner versteht: ja wann ein jeder Odenwälder einen Witzel bei sich hätte, der ihm auswitzeliger Weise ausführlich auslegt.
Sollte ein Kabisbauer in seinem Kabiskopf nicht besser verstehen, wenn ich ihn nenne Wolffharte, Hildebrand, Sigfrid, Friderich, Gottfrid, Winrich, Hartman, Gebart, Burckhart, Richart, Bernhart, Vischart, Volckart, Reinrat, Kunrad, Reinhold, Richwin, Winhold, Bruder Birhold, Waltherr, Landbrecht, Lautbrecht, Volckmeier, Eberhart und Degenhart.
Was? Sollte ich bei mannlidien Leuten nicht angenehmer werden, wenn ich ein solchen knebelbartfressigen Namen hätte, der von Getön und all den Leuten auszusprechen eine Lust gibt, als Eisenbart, Kerle, Hörebrand, Hartdegen, Schartdegen, Degenwerd, Wildhelm, Helmschrot, Voland, Grimmwald, Grimmhild, Kibhelm, Künhelm, Fastkün, Eisenarm, Hörwart, Marckwart, Girfalck, Sattelbog, Starkwin, Schlag in Haufen, Rauchschnabel, Wolffskäl, Fuchsmagen, Pickhart, Raumland, Hagelwild, Hartmut, Manswerd, Manwurg, Muckensturm, Manrich, Hochschritt, Werruch, Wischgul, Hörschirm, Hardknot, Wolsporn, Wolfhekn, Stich den Teufel, Trag den Knaben, Brech den Busch, etc.
Sind es dann stillfridsame und sittsame Leute, so kann ich ihnen das Muß auch süß einstreichen, kann mich auf philosophisch Richfrid, Gottfrid, Fridger, Sigstab, Lantfrid, Schirmfrid nennen. Wem wollte es nicht gefallen, wenn einer hieße Gottliebe, Gottshunger, Gottwach, Gottwald, Jesuwalt, Trostwehr, Wollob, Goldacker, Vollrhat, Christman, Gothart, Gebrich, etc.
Oder wenn eine heißt Rosenmund, wie unseres Gargantoa Mutter Honiggurgelin, und Schmandkälchen; oder Gottshulda, Trugarta, Wisarta, Liebwarta, Fridburgin, Adelinda, Adeltrud, Adelgunt, Machthilda, Gerntrud, Ehrentrut, Engeltrut etc. die Namen sollten einem die Weiber schier einschwätzen: wie können sie dann so grell in den Ohren und unangenehm sein? Der gute Herr [Georg Witzel] achtet seinen griechischen Bauernnamen hoch und verachtet seinen deutschen ererbten Namen, der ja nicht Latein ist: er will dann das Kälblin Vitellus werden. Verschmecht also seine Vorfahren, die denselbigen Namen besonders allein gebraucht haben: denn unsere Vornamen sind nicht eher aufgekommen, als da wir Christen geworden, ohne dass die Wohlgeborenen ihren Sitz und Herrschaft gemeinlich, doch nicht allzeit, dazu setzten. Sonst waren unsere jetzigen Zunamen zugleich der alten Vor- und Nachnamen. Darum lautet es den Mallen und Bottenflemming, und den plumpen Holländern so widersinnig, dass einer soll Diebold Angelgert oder Lentz Ochsenfuß heißen. sie meinen, ein Hochdeutscher hat darum zwei Väter, aber Wilhelm Wilhelms Sohn, Erich Erichsson ist ihrs Verstands.
Jedoch den Namen Witzel belangend, ist ihm vielleicht der Name auch zu klein, das verschmecht ihn vielleicht, wie die hetzhundischen Kleinwitze: Garwisus und Trostwitz, das wären Namen. Was darf man sich nach den Juden nennen, die sich doch nicht nach uns nennen, sie werden dann in der Taufe degradiert von ihren Namen.
Unsere Sprache ist auch eine Sprache, und kann so wohl einen Sack nennen, als die Lateiner saccus. Ich glaube, man meint unsere Vorfahren haben stets geschlafen, und nicht eben mit so großem Bedacht gewusst ihren lieben Kindern Namen zu geben, als die Griechen und Lateiner. Wir haben jetzt das freie Regiment, was dürfen wir uns nach den sklavischen Römern nennen, die Herren nach den Knechten? Welche Rümling doch, da sie das Kaisertum einhatten, so trotzig gewesen, dass sie uns zur Schmach ihre Knechte Getas und Dacos genannt haben. Wie sollte es sich reimen, wann die Griechen ihre Kinder Xerxes und Mardonios, die Römer die ihren Perses und Stichos, die Sirier Dama, die Frigier Midas genannt hatten, die Sieger nach den Überwundenen?
Und war des Pomposians Knecht darum köstlicher und größer, weil er Hannibal heißt, und der Hund, wie du? Sollte ein kurzer zacheischer Feigenbaumsteiger darum länger sein, wenn er Langbrecht hieße. O viel lieber kurz Arm dann lang Arm. Sollten die Trogloditen darum keine rechten Namen haben, weil sie ihre Kinder nach den Kühen, Schafen und Geißen, die sie saugen, nennen? Oder die alten Normannen und Goten in Norwegen, die sich nach den Fischen benannten? Oder die in Riobella plata Land, die nach den Papageien und Vögeln Wassu heißen? So müsste Kaiser Kyros nicht dem Hund Kyrr, den er gesogen, nachheißen (der ihm gleichwohl hinter sich lesend ein Rieh verkündet hat) die Kaiserin Semiramis nach den Tauben, die sie ernährt: des Hercules Sohn Telephus oder Eilenfuß von dem Räch: noch der Held Ursus dem Bären, und Ritter Leo dem Löwen nach. So müssten sich auch die Römer nicht von den Bohnen, Linsen, Lattich und Zisererbsen, noch dem sarcerischen geistlichen Kräuterbuch, oder des Lewini Lemnii [bzw. Levinus Lemnius] biblischen Gleichnuss von Erdgewächsen nennen.
Und dass wir wiederum auf unser Deutsch kommen, wenn ihre Namen so unchristlich lauteten, wie Witzel meint, warum sieht man in allen Bischofs-Katalogen und Abt-Registern, dass die ersten aus ihnen deutsche Namen haben: sollen sie darum im Glauben barbarisch gewesen sein, weil etliche hießen Erbargast zu Straßburg, Mallo zu Paris, Hartin zu Speir, Berwolf oder Wehrwolf zu Augsburg, Pflegbarwis zu Salzburg, Ehrenbrecht zu Frisingen, S. Burghart zu Wüzburg, Richhulff zu Mentz, Magnerich und S. Lutwin zu Trier, S. Ewerwis zu Trecht, Willigbrot zu Utrecht, S. Künbrecht zu Cöllen, S. Meinrat zu Einsiedeln, S. Otmeyer zu S. Gallen, Geitzo zu Basel. Sind solche Namen an den Christgetauften darum noch heidnisch, weil sie von Heiden herkommen? Sind nicht die heutigen lateinischen Taufnamen von Heiden? Sollte Judas Jacobs Sohn und Judas Machabe darum ärgerlich sein, weil der Verräter Judas so heißt?
Wollte darum der König in Frankreich alle Eseltreiber henken, weil sie den Eseln Herri rufen, und die deutschen Sauhirten all ertränken, weil sie die Sau Heintzlin heißen, und die Gärtner dem Teufel schenken, weil sie das Kraut Guten Heinrich nennen, und seine Ärzte alle versenken, weil sie dem großen Arsdarm Lang Heri sagen? Ey das müsste einem doch gar einen heißen Scheiß einjagen.
Wollte ich darum nicht wollen Herman oder German heißen, weil man dem Bock, Hermanstoß nicht, sagt? (Welches doch eine Antiquität von den Hörkriegischen stoßenden Deutschen, und Noachs oder Bachi Bock ist.) Oder weil man die Gäuch, Herman gut Schaf, nennt? Desgleichen wollte ein Jude darum nicht Moses heißen, weil wir die Böck also heißen? Wollte einer darum nicht mehr der alte Peter und Paule sein, weil die Wettermacherischen Glocken zu Cölin also getauft sind? Wollte eine Königin darum nicht Isabella heißen, von wegen einer Jesabel? Und eine nicht Elisabet, der Wolffdietherischen Rauch Elsen halben?
Wolltest du darum nicht Kuntz heißen, weil man in Sachsen die Schweine so lockt, und die Gaukler Kuntz hinter dem Ofen rufen, und bei den Franzosen unflätig ein beschorene Maus Conras heißt? Wollte ich darum nicht Hans in allen Gassen sein, weil man in den Niederlanden den Grasmuckenkönig Jan schilt? Noch Siman, weil man meinen simischen schafnäsigen Delphinen und den mörschwein-näsigen Schafen, und den weiberbeherschten Gaucheierbrütlern also raffet? Noch Stöffel, weil alle Seulgötzen, und die Heustöffel, und das Lied O Stöffel lieber Göffel Löffel also klingt? Noch nicht Claus von wegen des papieren Fensters? Noch Vilhelmus des Strohsacks halben. Noch nicht Casius von wegen des Kütrecks? Noch Mangold, dass er besorgt er werde arm? Noch Barthel von wegen des trockenen Bartscherers Meister Barthels? Noch Märtin, weil der Gaukler seinem Affen Meister Märtin, und die Müller ihren Eseln und die Churwalen den Bären also rufen? Noch Jungfrau Län, von wegen einer faulen Länen? Noch Markhulff von wegen des Salomonischen Marcolphi (welcher Name demselben Marcolffdichter auch grell in den Ohren getan) Noch Margret von wegen Murrgret: Noch Morolff von wegen Bruder Morolffs des Hotzvogels, aber von wegen des guten Weins: Gleich wie etwa die Römisch Manlier wollten keinen Marx unter ihnen wissen, weil ein Marx ihr Geschlecht schelmisch hat beschissen, und die Claudier keinen Luci oder Lauxen.
Was? Es sind nicht alle Lateiner die Gabeluszinkus können. Sollte Kasrom darum ein Römer sein, weil man ihm Kasramus schreibt, so müßte Lentulus ein Bayer sein, weil er Liendel lautet.
Man soll nach dem Geburtsfall und zufälligen geschienten die Kinder nennen, wie hier unser Gurgelzipfflin auf Spanisch und Nabalisch Gargantomänlin: Was schadet es, wann sie schon Nasichi heißen, oder Nasonen, Capitonen, Lefftzen, Flachohren, Lappi, Kalbe, Plauti, Zäntati, Memmule, Lecke, Kreummaul Cote, diebisch Masse, fressig Lamie, lefftzenwartzige Verrucosi, Badstüblin auf der Nasen, schönes Haar Cesar, ja Cesar von des Frantz Rousset partu Cesareo oder Nachgeburtscherung: Cincinnat, Asine, Säuhuren, Scrofe, Gurgellantische Gurges, Maultaschin, Guldenmund, Antigonisch Großknie, Diotinisch trechter, Xenarchisch Metretes, schind den Buben, Mange diable, friß dahinden, etc. Oder von den Landen Alloprochisch, Cautzisch, Turagaramantisch, etc.
Das ist der alte Brauch, und der allererst, wie Gorop beweist, dass auch Adam und Eva niederländische Namen Hatdamm und Ehevat haben gehabt, wie sehr es auch den jungen Leiterträger Joseph in seinem Castigierten Festo verdreußt: was soll dann diese lateinische Tirannei mit us und Esels ja?
Schöne Namen reizen auch zu schönen Taten, darum muss es Gurgelstrossisch auf den Glückfall auserlesen sein, nicht dass alle Schlesier Furmans Claus, Lübecker Till, Nürnberger Sebald, Augsburger Urli, die Weber Galle, die Kuh Barthel, Holländer Florentz, Schotten Andres, Spanier Ferrnant, Portugaler Jacob, Engellender Richart und Edwart, Böhmen Wentzel, Polen Stengel, Ungarn Stephan, Pommern Ott, Preussen Allbrecht, Lotringer Claudy, Flamen Baldwin, Franken Kilian, Westfalen Gisbart, Märcker Jochen oder Ochen oder Chim (dann nach dem einer reich ist, gibt man ihm Silben zu) etc. heißen. Sondern einem jeden einen besonderen Helm aufgesetzt, so kennt man die Mummer untereinander.
Also habt ihr den Fall, dadurch dem Gurgullantula sein Name entstanden, vernommen.