Sprachliche Unterschiede zwischen Mädchennamen und Jungennamen

Wir können anhand bestimmter Merkmale erkennen, ob ein Vorname männlich oder weiblich ist. Prof. Dr. Damaris Nübling, Wissenschaftlerin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, hat herausgefunden, dass Jungennamen und Mädchennamen mit der Zeit immer ähnlicher geworden sind.

Bei vielen Namen „weiß“ man, welches Geschlecht sie bezeichnen und bei vielen „hört“ man es, selbst wenn man sie nicht kennt. So „muss“ Janina weiblich sein und kann Luis nur männlich sein. Man ist sich erstaunlich einig darüber, dass Janina „weiblicher“ klingt als Ruth und dass Torsten „männlicher“ klingt als Luca.

schreibt die Sprachwissenschaftlerin in ihrem Aufsatz „Von Horst und Helga zu Leon und Leonie: Werden die Rufnamen immer androgyner?“.

Es gibt einige signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Vornamen:

  • Im Schnitt enthalten Mädchennamen mehr Silben als Jungennamen. Insbesondere einsilbige Mädchennamen sind sehr selten.
  • Jungennamen werden häufiger auf der ersten Silbe betont als Mädchennamen.
  • Mädchennamen enthalten tendenziell mehr Vokale, Jungennamen mehr Konsonanten.
  • Die hell betonten Vokale e und i kommen in Mädchennamen häufiger vor als in Jungennamen.
  • Mädchennamen enden häufiger mit einem Vokal, Jungennamen mit einem Konsonanten.

Bei einem Vergleich der heutzutage populären Vornamen mit denen, die vor 60 Jahren häufig vergeben worden sind, wird deutlich, dass diese Unterschiede früher größer waren – die Jungennamen sind weiblicher geworden. Das zeigt sich zunächst darin, dass die Vokale „a“ und „i“ in Jungennamen häufiger vorkommen.

Auch die typische Länge der Mädchen- und Jungennamen hat sich inzwischen angeglichen, wobei der Trend zu kürzeren Vornamen geht.

Abfolgen von mindestens zwei Konsonanten (Konsonantencluster, wie in „woLFGang“ oder „FRank“,) kommen in männlichen Vornamen nach wie vor häufiger vor als in weiblichen Vornamen. Es sind aber immer weniger Namen mit einem Konsonantencluster gebräuchlich. Ganz anders verhält es sich mit den Hiaten (zwei Vokale in Folge, die zu verschiedenen Silben gehören, z. B. „elIAs“ oder „lEOnie“). Hiate waren jahrzehntelang eine große Ausnahme im deutschen Vornamensrepertoire; heute spielen sie eine große Rolle.

Nach wie vor charakteristisch für weibliche Vornamen ist der Vokal am Ende. Aber auch dieses Merkmal ist immer weniger verlässlich, wie der Höhenflug der Jungennamen Luca und Mika zeigt.

Fazit: Jungennamen werden weicher, Mädchennamen kürzer. Insgesamt wird die Vornamenlandschaft androgyner.

Referenzen

Damaris Nübling ist Inhaberin des Lehrstuhls für Historische Sprachwissenschaft des Deutschen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und hat 2009 zwei Aufsätze zu dem Thema veröffentlicht. Sprachwissenschaftler werden den ersten, ausführlichen Aufsatz bevorzugen, Laien empfehle ich die zweite, leichter verständliche Veröffentlichung:

1. Von Monika zu Mia, von Norbert zu Noah: Zur Androgynisierung der Rufnamen seit 1945 aus prosodisch-phonologischer Perspektive. In: Beiträge zur Namensforschung 44, S. 67 – 110.

2. Von Horst und Helga zu Leon und Leonie: Werden die Rufnamen immer androgyner? In: Der Deutschunterricht, Heft 5, 77-83.

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