Zwei von drei Kindern finden ihren Namen „blöd“, behauptet Erziehungswissenschaftler Peter Struck. Da sie als Säugling aber nicht mitreden können, entfaltet sich die Kreativität der Eltern ungehemmt. Oberstes Ziel: Individuell und außergewöhnlich soll der Name sein.
Früher dienten viele Vornamen dazu, die familiäre Herkunft zu belegen. Die Kinder wurden nach Paten oder Großeltern benannt. Vornamen waren genau festgelegt und wurden regelrecht aufgetragen. In einigen Familien hatten dadurch sogar Geschwister den gleichen Vornamen. Diese „gebundene Namenwahl“, so der Fachbegriff, verschwand weitgehend schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Heute hingegen“, weiß der Kölner Soziologe Erwin Scheuch, „fungieren sie primär als Betonung von Individualität.“ „Die Leute möchten sich über ihre Kinder vom Normalbürger abheben“, glaubt Gabriele Rodriguez, Beraterin der Gesellschaft für Namenkunde in Leipzig.
Elternschaft wird bewusst erlebt. Die Kleinen sind zu einem Element der Selbstverwirklichung ihrer Erzeuger geworden. Der mit hohen Erwartungen befrachtete Sprössling hat somit Anspruch auf einen einzigartigen oder zumindest seltenen Vornamen.
Das Bestreben vieler Eltern, Nachkommen mit pseudooriginellen Namen zu einem individuellen Image zu verhelfen, kennt kaum noch Grenzen. „Die Namen der Kinder sollten nicht dazu benutzt werden, mit der eigenen Bildung zu protzen“, warnt der Heidelberger Onomastiker Wilfried Seibicke.
Der Kieler Germanistikprofessor Friedhelm Debus merkt allerdings an: „Besonders Akademiker neigen zu Traditionsbewusstsein.“ Einen Zusammenhang zwischen Namensgebung und Sozialstatus bestätigen auch seine Kollegen.
Referenzen: Focus 13/1997 (Das Namen-Los), Focus 45/2001 (Unser Kind heißt Meise), Focus 9/2004 (Vornamen)