Die beliebtesten Vornamen im 16. Jahrhundert

Der Historiker Dr. Kai Lehmann hat aus einem alten Kirchenbuch der Gemeinde Fambach (Thüringen) die häufigsten Vornamen ermittelt:

Die 20 meistvergebenen Vornamen in Fambach von 1559 bis 1639

weiblich männlich
  1. Margaretha (175 Nennungen)
  2. Anna (146)
  3. Elisabeth (125)
  4. Catharina (93)
  5. Ursula (76)
  6. Ottilia (39)
  7. Dorothea (37)
  8. Barbara (33)
  9. Osanna (28)
  10. Emilia (18)
  11. Gertraud (14)
  12. Christina (13)
  13. Maria (9)
  14. Magdalena (7)
  15. Eva (5)
  16. Anna Maria
    Walburga
    Brigitta (je 3 Nennungen)
  17. Anna Margaretha
    Amalia
    Apollonia (je 2)
  18. Sophia
    Sophia Elisaneth
    Irmgard
    Agatha
    Anastasia
    Agnes
    Königunde
    Veronica
    Anna Catharina (je 1)
  1. Hans / Johannes (151 Nennungen)
  2. Caspar (100)
  3. Moritz (62)
  4. Valentin (54)
  5. Heinz / Heinrich (53)
  6. Franz (40)
  7. Jacob (37)
  8. Peter (33)
  9. Martin (31)
  10. Michael (28)
  11. Marx / Marcus (26)
  12. Paul (25)
  13. Matthias (24)
  14. Georg (21)
  15. Barthel / Bartholomeus (20)
  16. Nicolaus / Clas (18)
  17. Melchior (17)
  18. Christoph (16)
  19. David (15)
  20. Sebastian (14)

Quelle: „Leben und Sterben vor, während und nach dem Dreißigjährigen Krieg in der Gemeinde Fambach (1559-1703). Eine Kulturgeschichte anhand des ältesten Kirchenbuches von Kurhessen-Waldeck“ von Dr. Kai Lehmann, Museumsdirektor von Schloss Wilhelmsburg in Schmalkalden (Thüringen)

Aus diesem Buch stammt auch der folgende Auszug:

Die beliebtesten Vornamen und was wäre über die Taufpaten zu sagen

Zur Zeit des ersten Fambacher Kirchenbuches war nicht der Geschmack der Eltern entscheidend, welchen Vornamen das Neugeborene erhielt, sondern, welchen Vornamen der Taufpate oder die Taufpatin hatte. Vor dem Dreißigjährigen Krieg und auch noch während jener Katastrophe wurde Junge oder Mädchen zu nahezu einhundert Prozent auf den Namen des Paten getauft. Streng genommen ist damit die Kapitelüberschrift „Die beliebtesten Vornamen“ falsch, weil sich die Eltern nach heutigem Verständnis eben nicht den Namen ihres neugeborenen Sohnes oder ihrer Tochter aussuchen konnten, sondern bestenfalls den Gevatter des Kindes. Und dieser wurde nach Stand, Ansehen oder familiären Bindungen ausgewählt und ob der Patenschaft angesprochen. Der zeitgenössisch – „Gevatter“ oder die „Gevatterin“ übernahm die ‚geistliche‘ Vater- bzw. Mutterschaft. Im Namen der Kirche und der Eltern waren sie ganz offiziell verpflichtet für das geistige Wohl der Kinder mitzusorgen; im Fall dass die Kinder verwaisten auch für deren weiteres Leben. Die Patenschaft über ein Kind zu übernehmen, dokumentierte auch das soziale Prestige einer Person. Dieses ausnutzend wurden häufig Personen aus einer sozial höheren Schicht wegen der „Gevatterschaft“ angesprochen; auch weil damit eine Chance geboten wurde, seine eigene spätere Position in der Gesellschaft aufzubessern. Vereinfacht ausgedrückt: umso größer der Hof, umso mehr Patenkinder hatte man.

[…]

Freilich musste man erst die Geburt abwarten, bevor man überhaupt einen Paten ausersehen und dahingehend ansprechen konnte; man wusste ja nicht, ob es ein Junge oder Mädchen wird. Und damit ist auch geklärt, dass ein Junge immer einen männlichen, ein Mädchen folglich stets einen weiblichen Gevatter hatte; allerdings mit einer Ausnahme: unehelich geborene Kinder.

[…]

Und damit wären wir bei den Vornamen. Auch wenn der Vorname des Kindes von dem des Paten bzw. der Patin abhängig war, so sollen hier die 20 meistvergebenen Vornamen von Jungen und Mädchen bis zum Jahr 1639 wiedergegeben werden, weil sich hieraus Bemerkenswertes ablesen lässt.
Wichtig bei den Vornamen zu wissen: Unterscheidungen der Vornamen nach heutigem Verständnis gab es nicht: Der Heinz war auch gleichzeitig der Heinrich, der Valten der Valentin, der Endres der Andreas oder bei den Frauen war die Immel die Emilia, die Margt die Margaretha oder – kompliziert aber tatsächlich so – die They oder Orthey die Dorothea.
Einzig der heute nahezu unbekannte weibliche Vorname Osanna (er findet sich nicht einmal mehr in den heute sehr beliebten Vornamenlexika) hat nichts mit Anna oder Susanna zu tun. Das stellte schon der letzte Pfarrer, der Eintragungen in das älteste Fambacher Kirchenbuch machte, Christoph Rumpach, fest: Als dem Leinenweber Georg Weihrauch am 12. September 1702 eine Tochter getauft wurde „ward Gevatterinn, Osanna Hoßfeldinn, des Dilhen Müllers alhier tochter, würde das Kindt vor ihr Susanna genennet, vielleicht in denen gedanken gehende, alß wern Osanna vndt Susanna eins, hat vielleicht Osanna, weil des Kindes Mutter auch also heisset, heisset sollen.“

Es ist dies aber die einzige Ausnahme: der Hans war der Johannes und der auch umgekehrt wiederum der Hans; auch wenn es für uns heute zwei getrennte Namen sind. Es waren aber damals ganz normale Abkürzungen, welche nicht nur im täglichen Leben, sondern auch von den einzelnen Pfarrern im Kirchenbuch verwendet wurden; und wenn Jörg Zeis ein Sohn oder eine Tochter getauft wurde, dann handelt es sich bei ihm zwei Jahre später um die identische Person, auch wenn dann auf einmal von Georg Zeis die Rede ist. Wie gesagt: dasselbe gilt für Stoffel Weih und Christoph Weih, für Bastian Heller und Sebastian Heller, für Cap Weihrauch und Caspar Weihrauch.

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass es bei den weiblichen Vornamen die Platzierungen 19 und 20 gar nicht mehr gibt. Oder anders ausgedrückt. Der letzte (hier aufgeführte) Platz bei den männlichen Vornamen (Sebastian) hätte es mit 14 Nennungen fast in die ’Top Ten’ bei den Frauen geschafft; mit Platz elf wäre er aber wie bei den Frauen Gertraud knapp an ihnen vorbei geschrammt. Der ’Pool’ bei den weiblichen Vornamen war damals in Fambach wesentlich kleiner als bei den männlichen. Fanden sich von 1559 bis 1639, bei Letzteren insgesamt 57 verschiedene Namen, so war es bei den femininen Vornamen mit nur 31 knapp die Hälfte weniger.

Folglich schafften es solche Vornamen wie Andreas (mit 13 Nennungen wäre der Name bei den Frauen immerhin auf Platz zwölf), Dietrich (Dietz), Philipp (Lips), Adam, Kilian, Blasius, Ullrich oder Jonas gar nicht erst unter die ersten 20.

Besonders auffällig ist aber auch, dass es streng genommen eigentlich nur zehn (jeweils fünf bei den einzelnen Geschlechtern) wirklich häufig auftauchende Vornamen damals in Fambach gab, wobei Hans und Caspar mit deutlichem Abstand bei den Männern und sogar noch offensichtlicher Margaretha, Anna und Elisabeth bei den Frauen dominierten. Und drückt man diese Dominanz in Verhältniswerten aus, dann ist folgender Satz durchaus angebracht: denn ein knappes Fünftel der in der Top-20-Tabelle erfassten Jungen und späteren Männer trug damals in Fambach den Vornamen Hans; ein gutes Fünftel sogar aller Mädchen und Frauen den Vornamen Margaretha; oder anders ausgedrückt: von den von 1559 bis 1639 in Fambach geborenen Mädchen wurde deutlich mehr als ein Drittel auf den Namen Margaretha oder Anna getauft, bei den in der Tabelle erfassten Jungen war es immer noch ein wenig mehr als ein Drittel, die den Namen Hans oder Caspar trugen.

[…]

Ein Teufelkreislauf in der Namensgebung möchte man meinen; da, wie gehört, der Vorname eines Kindes vom Taufpaten oder der Taufpatin herrührte und somit – allein vom logischen her aufgrund der großen Anzahl – die meisten Taufpaten den Namen Hans Heller und Margaretha Heller trugen. Bewusst übertrieben formuliert, hätte dies irgendwann einmal bedeutet, dass, wenn es so weitergegangen wäre, das Dorf Fambach nur noch aus Hansens, Margarethas oder Annas bestanden hätte, die sogar noch zumeist den Nachnamen Heller getragen hätten. Aber es kam anders; die Auflösung folgt in Kürze.

Zunächst aber noch einmal zu etwas anderem, auch um die Fambacher von damals hinsichtlich ihrer Namensgebung nicht in einem schlechten Licht dastehen zu lassen. Fambach bildete […] alles andere als eine Ausnahme. In [den Nachbarorten,] in ’entfernteren Regionen’ und ebenso in Städten hatte Hans die unangefochtene Spitzenposition im Bereich der männlichen Vornamen inne: Von den 1572 in Suhl lebenden 535 Familienvorständen trugen genau 111 den Vornamen Hans; wiederum ein Fünftel aller Familienväter. In Ilmenau war es sogar ein gutes Viertel (genau 80 von 308 Familienvätern), welches den Namen Hans trug und in der ehemaligen Residenzstadt der Henneberger Grafen, in Schleusingen, gab es 1572 47 Hansens bei genau 300 Familienvätern; auch dort mit Abstand der häufigste männliche Vorname.

Angesichts der im Fambacher Kirchenbuch relativ zeitnah und manchmal in einer Generation dutzendfach auftauchenden Hans Hellers oder Margaretha Hellers, waren die einzelnen Pfarrer gezwungen, die sicherlich aus dem alltäglichen Leben herrührenden Spitznamen sowie Wohnortangaben oder Berufbezeichnungen zur genauen Identifizierung, in ihre Registrierungen einfließen zu lassen. Freilich galt das auch für andere als die Hellers, wie die Weihrauchs, Weihs, Sieberts oder Sittigs. Da ist vom Jüngeren, Älteren, Dicken, Großen oder Lahmen die Rede, da wurde von der am „Graben“ wohnenden Anna Zeis oder von „Capp in der Borngase“ (gemeint Caspar Heimel) gesprochen genauso von dem, der auf dem Kirrhof, auf der Papiermühle oder der Trusenmühle lebte […].

Aber was waren das für Vornamen, die Paten und damit die Neugeborenen hatten? Richard van Dülmen jedenfalls nimmt in seinem sehr guten, dreibändigen Werk „Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit“, dahingehend eine Pauschalisierung vor: „Die Protestanten gaben im 16. Jahrhundert besondern gerne alttestamentarische Namen, […] die Katholiken bevorzugten z. B. im 17. Jahrhundert Heiligennamen, die eng in Verbindung stehen mit den neuen Heiligenkulten, die die Jesuiten begünstigten.“

Einmal ganz unabhängig von der Tatsache – ich muss mich wiederholen –, dass sich in Fambach (und anhand obiger Beispiele im Bezug auf den Vornamen Hans, ebenso in der gesamten Region) eben nicht die Eltern einen bestimmten Vornamen für ihre Sprösslinge aussuchten, sondern das Kind den Namen des Paten bekam, trifft jene Pauschalisierung in Gänze nicht zu. Vielmehr sind die Fambacher Vornamen eine Vermischung aus allen: aus alttestamtalischen Namen, Namen aus dem Neuen Testament, Heiligennamen, aber auch typischen deutschen Vornamen wie Heinrich, immerhin auf Platz fünf des männlichen Vornamens ’Ranking’.

Kommen wir abschließend noch einmal auf das oben bereits kurz angerissene zurück: auf jene Vornamens-Zwickmühle, in der man vermeintlich steckte. Der gordische Knoten wurde gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges gelöst. So ab 1645, 1646 wurde es in Fambach modern den neugeborenen Kindern Doppelnamen zu geben; vorher absolute Exoten unter den Vornamen. Johannes bei den Jungen und Anna bei den Mädchen bildeten dabei meist den ersten Namen. Interessanterweise setzte dieser Trend zuerst bei den Mädchen ein. Anna Margaretha, Anna Barbara, Anna Elisabeth, Anna Maria, finden sich seitdem in den Taufeinträgen und diese Doppelnamen machten ab den 70er Jahren dann die absolute Majorität aus. Nicht immer war Anna der erste Name. Es finden sich auch solche Namen wie Sophia Elisabeth, Margaretha Elisabeth oder Barbara Margaretha; aber nochmals: Anna war mit Abstand der häufigste erste Vorname. So schuf man eine Vielzahl von Kombinationsmöglichkeiten und damit auch eine wesentlich größere Anzahl an Namen. Bei den Jungen kam der Trend zum Doppelnamen erst mit einer etwa zehnjährigen Verspätung an. Aber auch hier gilt: männliche Doppelnamen waren im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts absolut ’up to date’. Fortan hießen die Kinder Johannes Moritz, Johannes Sebastian, Johannes Jacob oder Johannes Caspar; daneben freilich auch Caspar Conrad oder Andreas Bernhardt. Johannes war aber wie Anna am häufigsten vertreten. Der Vorname des Taufpaten trat dann meist an die zweite Stelle nach Johannes oder Anna. Hieß aber beispielsweise die Taufpatin mit Vornamen selber Anna, dann wurde diesem ein weiterer Name hinzugefügt. Zur Verdeutlichung: Im Herbst 1675 wurde Christoph Weihrauch eine Tochter geboren. Ihre Taufpatin war Anna, die Ehefrau von Andreas Reckenbeil; das Kind „wurde Anna Regina genandt.“
Fragen, woher diese Wandlung kam oder warum dieser Trend einsetzte, sind nur schwer zu beantworten. Einerseits könnte es der Dreißigjährige Krieg gewesen sein: Unzählige Söldnerheere, aber auch Flüchtlinge und Heimatlose zogen durch die Region. Vielleicht hatte der eine oder andere dieser Fremden einen Doppelnamen und man fand es schick. Vielleicht wollte man sich aber auch nur der Mode der besseren Gesellschaft oder den Studierten und Gelehrten anpassen. Die vorhin als Exoten bezeichneten Kinder, die schon vorher einen Doppelnamen trugen, entstammten zumeist den Fambacher Pfarrers- oder Schulmeisterfamilien.

Die modischen Schwankungen hinsichtlich des Vornamens setzten sich zudem fort; und gegen Ende des Kirchenbuches finden sich dann sogar Dreifachnamen.

Namenforschung im 16. Jahrhundert

Die sogenannte „Geschichtklitterung“ von Johann Fischart (1560 bis 1590) ist eines der bedeutendsten Werke der Literaturgeschichte im deutschen Sprachraum des 16. Jahrhunderts. Im zehnten Kapitel macht er sich über die damaligen Vornamenmoden lustig.

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