Kleine Geschichte der Namengebung – Teil 4: Namengebung seit 1945

eschichte der Namengebung

von Christian Friedrich Lindau

Kurz-, Kose-, Doppelformen

So wie bereits im Mittelalter christliche Namen dem deutschen Laut- und Betonungssystem angepasst wurden, so geht die historische Sprachwirklichkeit auch mit den Doppelnamen respektlos um. Aus dem hehren Namen Johann Georg – vier Silben Renaissancefürstentum – wird das plebejische Hans-Jörg. Maria Elisabeth schrumpft zur Kopulativform Marlies, die fromme Maria Magdalena wird zur lasziven Marlene. Stimmt wirklich. Marlene Dietrich hieß mit bürgerlichem Namen Maria Magdalena von Losch.

Kurz- und Koseformen sind heute schon so selbstverständlich in Gebrauch gekommen, dass sich kaum noch jemand an Lutz (für Ludwig), Rudi (für Rudolf) oder Gabi (für Gabriele) stößt. Kurt (für Konrad) ist akzeptiert. Lou für Louise ist ebenfalls normal. Und wer seine Tochter Maxie nennt, muss sich mittlerweile nicht mehr die Bemerkung anhören, dass seine Tochter doch wohl eigentlich Maximiliane heiße. Selbst so genannte Lallnamen wie Lulu oder Nena werden mittlerweile eingetragen. Allerdings sollten Eltern gerade bei „niedlichen“ Namen, die so recht zum Baby passen, zurückhaltend sein; oft wirkt so ein Kosename bei Erwachsenen später lächerlich.

Namengebung seit 1945

Für die Zeit von 1945 bis 1975 liegen aus dem Gebiet Schwalmstadt/Ziegenhain Untersuchungen zur Namenhäufigkeit vor. In der ersten Dekade (1945–54) führt bei den Männern Karl vor Hans, Heinz und Georg, bei den Frauen führt Elisabeth knapp vor Maria, gefolgt von Anna und Margarethe. In der zweiten Dekade liegt bei den Jungen Heinrich knapp vor Peter, Andreas, Hans und Karl, bei den Mädchen führt immer noch Elisabeth vor Anna, Ingrid und Maria. Im Zeitraum 1965–75 dominieren Michael, Markus, Karsten und Martin, Andreas und Torsten die männlichen Namen, während bei den weiblichen Susanne plötzlich an der Spitze auftaucht und Andrea, Annette, Elisabeth, Melanie und Anna hinter sich lässt.

Eine andere Langzeitstudie untersucht die Namengebung in Heidelberg. Dort lagen 1961 die „Traditionsnamen“ Michael, Andreas und Thomas auf den vorderen Plätzen, gefolgt von Klaus, Jürgen und Uwe. 1976 besetzten Christian, Markus und Stefan die drei Spitzenplätze vor Michael, Alexander und Matthias. Bei den weiblichen Vornamen war die Varianz wesentlich breiter. Traditionsbedingte Vorlieben sind bei Mädchennamen weniger ausgeprägt.

Der erkennbare Trend dieser Untersuchung: Der Namenvorrat wächst. Die Eltern werden mutiger. Ausländische Nebenformen kommen häufiger vor. Unabhängig von wechselnden Moden erfreuen sich einige Traditionsnamen auffallend dauerhafter Beliebtheit.

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Quelle: Christian Friedrich Lindau – Die schönsten Vornamen für Ihr Baby, © Urania Verlag, Stuttgart