Eigentümlichkeiten des römischen Namenwesens

Teil 8 des Aufsatzes Die römischen Eigennamen der republikanischen und augusteischen Zeit von Theodor Mommsen (bearbeitet von Knud Bielefeld)

Diese Auffassung des Vornamens als eines ursprünglich patrizischen, das heißt altbürgerlichen, allmählich, wie die Bürgerschaft sich erweiterte, auf die ganze Neubürgerschaft sich erstreckenden Merkmals erklärt mehrere seltsame Eigentümlichkeiten des römischen Namenwesens. Zunächst löst sie die Divergenz, die über den Zeitpunkt der Namensetzung in der Überlieferung vorliegt. Nach uralter und naturgemäßer römischer Sitte wird dem Kinde der Name geschöpft am achten oder neunten Tage nach der Geburt.

Allein damit in schroffem Widerspruch steht die überlieferte Angabe, dass einst der Name dem Knaben erst mit der Toga gegeben worden sei. Diese These wird durch einzelne Inschriften aus der Kaiserzeit bestätigt, in denen unmündige Knaben sonst mit vollem Namen, aber anstatt des Vornamens mit pupus, der allgemeinen römischen Kindesbezeichnung aufgeführt werden. Freilich ist in der Kaiserzeit, aus der allein sichere Knabengrabschriften vorkommen, diese Abwesenheit des Vornamens ungewöhnlich. Jene Quellen belegen, dass noch damals der Name nicht unbedingt nach der Geburt gegeben zu werden brauchte und bestätigen insofern die Behauptung. Wahrscheinlich also wird für die römische Namengebung ein faktischer und ein rechtlicher Termin zu unterscheiden sein. Jener gilt gleichmäßig für Knaben wie für Mädchen. Die Gemeinde kümmert sich aber nicht um denselben und es steht den Eltern frei, ihren Kindern keinen oder einen anderen als einen der geschlechtsgebräuchlichen Individualnamen zu geben, auch wohl den gewählten später willkürlich zu ändern. Die rechtliche Namensfeststellung erfolgt dagegen bei der Erteilung der Toga: indem der Knabe jetzt Bürger wird und in das Heer und in die Gemeindeversammlung eintritt, wird auch sein bürgerlicher Name definitiv geordnet. Üblicherweise wurde der bisher tatsächlich geführte jetzt öffentlich anerkannt. Alternativ wurde dem nicht ordnungsmäßig benannten Kinde ein geschlechtsgebräuchlicher Name gegeben und der bisher tatsächlich geführte beseitigt oder etwa zum persönlichen Beinamen herabgesetzt.

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