Von Marcus Kirzynowski
Mia ist nicht nur bei deutschen Eltern einer der beliebtesten Mädchennamen (Platz 5 im Jahr 2008). Auch die Autoren deutscher Fernsehfilme scheinen ihn zu lieben. Im Oktober 2009 lief im ZDF beispielsweise der „Inga Lindström“-Film „Mia & ihre Schwestern“. Die Schwestern heißen darin Anna (Platz 6) und Agneta, Mia verliebt sich in Annas Ehemann Jan (Platz 16 der beliebtesten Jungennamen 2008).
Auch in der ARD-Krimikomödie „Für immer Venedig“, die Ende Oktober zu sehen war, heißt die weibliche Hauptfigur Mia. Obwohl die von Gaby Dohm gespielte Restaurantbesitzerin das Babyalter schon seit mehr als sechs Jahrzehnten hinter sich hat und Mia damals in Deutschland kein besonders häufiger Vorname war. Auf der Rollenliste dieses Films finden sich dann noch ein Luca (Platz 3 in der Rangfolge der Jungennamen im vergangenen Jahr) und eine Anna (Platz 6 bei den Mädchennamen). Zwar spielt „Für immer Venedig“, wie der Titel schon sagt, in Italien. Trotzdem ist die Übereinstimmung zwischen Rollennamen und deutscher Namenshitliste auffällig.
Auch in anderen so genannten TV-Movies, meist Liebesfilm-Reihen wie „Inga Lindström“ im ZDF oder romantischen Komödien auf RTL und Sat 1, tragen die Hauptfiguren immer wieder Vornamen, die in der aktuellen Hitliste der Babynamen ganz weit oben stehen – obwohl sie längst erwachsen sind.
„Ich wähle die Namen meiner Figuren mit weniger Bedacht als vielleicht vermutet“, erklärt Hans G. Raeth, der das Drehbuch von „Für immer Venedig“ geschrieben hat. „Namen haben ja eher wenig mit der Persönlichkeit eines Menschen zu tun.“ Am wichtigsten sei deshalb bei Unterhaltungsfilmen, dass Namen eingängig seien und einen guten Klang hätten. „Der Zuschauer soll nicht über einen Namen stolpern, weil er ungewöhnlich oder sperrig ist“, so Raeth. Drehbuchautoren orientierten sich bei der Namensfindung durchaus an Hitlisten, räumt er ein. Dabei sei im Normalfall das Alter der jeweiligen Figur wichtig. Bei einer 60-Jährigen gucke er dann auch, welche Vornamen vor 60 Jahren besonders beliebt waren. Dass die von Gaby Dohm gespielte Figur Mia heißt, war dann auch gar nicht Raeths Idee. Es komme nämlich häufiger vor, dass ein Regisseur, Redakteur oder auch ein Schauspieler einen Namen vorschlage oder ändere, wenn er denkt, dieser passe besser zu der Figur als derjenige, der ursprünglich im Drehbuch stand.
Neben den Vornamens-Hitlisten orientieren sich Autoren auch am eigenen sozialen Umfeld. Oft sind Figurennamen eine Hommage an Verwandte oder Freunde der Autoren. So hat „Simpsons“-Erfinder Matt Groening fast die gesamte Zeichentrick-Familie nach seinen eigenen Eltern und Geschwistern benannt. Groenings Eltern heißen Homer und Margaret, genannt Marge. Bart Simpsons Schwestern Lisa und Maggie verdanken ihre Vornamen ebenfalls Groenings Schwestern. Auch „Emergency Room“-Produzent John Wells hat Menschen aus seinem Umfeld als Namensvorbilder herangezogen: Sämtliche Krankenschwestern und -pfleger in seiner Serie tragen Vornamen aus Wells’ Bekanntenkreis.
Die Bedeutung spielt bei der Namensfindung für Fernsehproduktionen hingegen normalerweise keine Rolle, weil die Zuschauer diese meistens sowieso nicht auf Anhieb kennen. „Eine Ausnahme wäre, wenn der Name einen bestimmten Hintergrund einer Figur verdeutlichen soll“, erläutert Autor Hans G. Raeth. So bekommt ein Gangster mit russischen Wurzeln natürlich einen klar als russisch erkennbaren Vornamen, zum Beispiel Boris. Rollennamen sollten aber nicht zu offensichtlich sein, da sonst ein Großteil der Spannung für den Zuschauer zu früh verloren gehe. „Bösewichte sollten nicht schon am Namen als solche erkennbar sein“, meint Raeth.
Das Thema Namensgebung wird auch in Lehrbüchern zum Drehbuchschreiben behandelt. Allgemein spiele es aber eher eine nachgeordnete Rolle, so Raeth: „Wenn ich selbst mit einem Namen zu viel verbinde, bin ich beim Schreiben eingeschränkt.“ Deshalb sei es oft besser, sich zunächst darüber klar zu werden, wie sich die Figur entwickeln soll. Einen passenden Namen könne der Autor ihr dann am Schluss immer noch geben.