Die vaterländischen Namen wurden nicht verdrängt

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)


Tileman Dothias Wiarda

§ 32. Gründe, warum die ausländischen Namen die vaterländischen nicht völlig verdrängt haben

Sicher würden die alten deutschen Namen letztlich ihr Grab gefunden haben, wenn nicht einige besondere Umstände ihnen die hilfreiche Hand geboten hätten. Dahin gehören die in der römischen Kirche bei der Taufe eingeführten Patenschaften. Führten die Paten, deren Namen den Kindern beigelegt wurden, deutsche Namen, so erhielten auch die Kinder deutsche Namen. Die Geistlichen tadelten zwar bei ihrem Unterricht und in ihren Lehrsätzen die Annahme vaterländischer, aus den Zeiten des Heidentums entsprossener Namen und priesen den Gliedern ihrer Kirche den Namen eines Heiligen als ein Palladium des Leibes und der Seele. Doch waren sie doch so nachgiebig, dass sie auch späterhin nur vorzüglich auf den zweiten oder letzten Taufnamen sahen – vielleicht weil ihnen deutscher Patriotismus entgegen stand oder weil sie zum Teil selbst vaterländische Taufnamen hatten. Also auch dadurch wurden die vaterländischen Namen um so viel mehr erhalten, weil der erste Name immer der Hauptname blieb. Eine große Stütze vaterländischer Namen waren außerdem die in den Legenden aufgeführten Heiligen und Märtyrer, die echt deutsche Namen führten. So treffen wir darin einen heiligen Albert, Bernard, Bruno, Burchard, Cunrad, Eduard, Erhard, Ewald, Gerhard, Heinrich, Hubert, Hugo, Kilian, Lambert, Ludewig, Luitger, Marquard, Otwald, Otto, Richard, Robert, Sigismund, Theobald, Ulrich, Walprecht, Walther, Wigbert, Wilhelm usw. an. Es hatten auch heilige Weiber und Märtyrerinnen die Ehre, deutsche Namen zu führen. Die heilige Adelgunde, Adelheide, Gertrudis, Hildegardis, Ursula, Tecla, Walpurgis und andere dienen als Beweis. Wenn also jemand seinem Kind einen solchen Namen beilegte, so erhielt das Kind doch immer einen deutschen Namen; der Vater mochte sich dabei den Heiligen oder einen seiner Verwandten gedacht haben. Die Geistlichen selbst konnten dann diese deutschen Namen nicht als profan oder heidnisch ausgeben, vielmehr werden sie solche Namen als Namen der Heiligen begünstigt haben. So waren denn Heilige selbst die Schutzengel echt germanischer, aus dem greisen Altertum entsprossener Namen. Im sechzehnten Jahrhundert hat schließlich die Reformation die weiteren Fortschritte fremder Namen gehemmt. Weil die Protestanten den Dienst und die Verehrung der Heiligen verwarfen, konnten die Namen der Heiligen unter ihnen nicht weiter steigen. Indessen vertilgten sie diese Namen nicht, sondern ließen sie zugleich mit den deutschen vaterländischen Eigennamen fortwachsen. Allerdings nicht mehr aus Aberglauben als Namen der Heiligen, sondern als Eigennamen aus der Verwandtschaft. Das ist auch der Grund, warum noch jetzt im katholischen Deutschland mehr Namen der Heiligen als Eigennamen vorkommen als im protestantischen Deutschland. Da jetzt die katholischen Geistlichen so nicht mehr, wie vormals, auf die Auswahl der Taufnamen anbringen, und die Eltern nicht unmittelbar nach einem Heiligen ihre Kinder benennen lassen, sondern die Namen aus ihrer Verwandtschaft oder von den Paten entlehnen, so werden auch künftig in den katholischen Provinzen vaterländische und ausländische Namen geschwisterlich miteinander fortblühen.