… kein sinnloser Ton

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)


Tileman Dothias Wiarda

§ 10. Ein germanischer Eigenname ist kein sinnloser Ton, sondern ein bedeutender Name

Auch der älteste germanische Eigenname muss doch, wenn auch Jahrtausende seit seinem ersten Ursprung verflossen sein mögen, einmal einen Erfinder gehabt haben und dieser Erfinder eines Namens muss sich notwendigerweise bei dem Namen etwas gedacht haben. Wenn wir nun gleich nicht im Stande sind, den Sinn und die Bedeutung eines jeden Eigennamens zu entziffern, so können wir doch mit Zuverlässigkeit annehmen, dass kein Eigenname aus unbedeutenden Tönen zusammengesetzt worden oder sinnlos sei. Der Erfinder eines menschlichen Namens hat also auch notwendig das, was er bei dem Namen sich gedacht hat, in seiner Sprache ausgedrückt.

Vortrefflich – und der Natur der Sache völlig angemessen – lässt Moses bei Erblickung des ersten Weibes unseren Urvater reden: das ist doch Bein von meinen Beinen, und Fleisch von meinem Fleisch. Man wird sie Männin heißen, darum, dass sie vom Manne genommen ist. Adam verknüpfte also bei Benennung seiner Eva einen vernünftigen, der Sache angemessenen Gedanken, und drückte denselben in seiner Sprache durch den Namen aus. So machte es jeder Erfinder eines neuen Namens. Blicken wir in die jüdische Geschichte, so treffen wir darin Abraham – einen Vater vieler Völker, Moses – aus dem Wasser gezogen, David – den Geliebten, Hiob – den Dulder, Jonas – des Herrn Gabe, – Rachel – das Schäfchen, Lea – die Bemühte, Noah – den Trost, Jeremias – den Erhöhten usw. darin an. So führten auch alle Kinder Jacobs, Juda und Josephs bedeutende hebräische Namen, die ihren Eltern ausgefunden und auf ihre zeitige Lage Bezug hatten. Auch die Griechen hatten ihren Alexander, den tapferen Helfer, Nicolaus, den Volksbezwinger, Kallinikus, den Siegreichen, Stephan, die Krone, Dorothea, die Gottes-Gabe, Margaretha, die Perle, Catharina, die Reine usw. Die Römer hatten ihren Titus, den Beschützer, Lucius, den frühgeborenen, Manius, den spätgeborenen, Secundus, Tertius, Quartus, Quintus, Sextus, Septimus, den zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten Sohn, und hernach ihren Justus, Victor, Probus, Carus, Valens, Severus ihren Gerechten, Sieger, Frommen, Liebling, Starken, Ernsthaften. So verfuhren alle übrigen Völker, so auch der Deutsche. Der Hebräer, der Grieche, der Römer hatten bedeutende hebräische, griechische und römische Namen. Auch der Germane führte bedeutende germanische Eigennamen.