Berühmte Namensträger: Rahel

Von Ernö und Renate Zeltner


Rachel, die jüngste Tochter Labans, heiratete Jakob, dessen zweite Frau sie war. Sie gebar ihm die beiden Söhne Josef und Benjamin, starb aber bei der Geburt des Jüngsten, und man nannte sie »Schmerzensmutter«; sie gilt als Vorbild Mariens.

Der Vater von Rahel Levin (1771-1833) betrieb einen Juwelenhandel in Berlin; so konnte es sich die Tochter leisten, einen großen Bekanntenkreis zu pflegen, zu reisen, ihren Horizont zu erweitern. Ihr besonderes Interesse galt philosophischen und literarischen Themen, doch war sie bemüht, auch Sprachen zu lernen und sogar in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fragen zu einigem Wissen zu kommen. Große Energie verwendete das ehrgeizige jüdische Mädchen darauf, Zugang zu Intellektuellenzirkeln, etwa zum Humboldt-Kreis, zu finden. Sie las viel, verfeinerte ihre Umgangsformen, knüpfte Verbindungen – und reüssierte. Von ihren Eltern ins Auge gefasste jüdische Heiratskandidaten lehnte sie ab, trat später sogar zum Christentum über. Bald hatte die junge Frau ihren eigenen Salon, in dem die Creme des Berliner Geisteslebens ein- und ausging. Die traditionellen gesellschaftlichen Barrieren gab es in ihrem und in den anderen Salons jüdischer Frauen nicht, wie im nachrevolutionären Frankreich fanden sich Christen und Juden, Aristokraten und wohlhabende Bürger beiderlei Geschlechts in angeregtem Disput, es herrschte sogar eine gewisse sexuelle Freizügigkeit. Mit dem Aufkommen eines deutschen Patriotismus im Gefolge der französischen Besatzung Preußens im Jahr 1806 aber fand sie ein Ende, die freie, offene, tolerante Welt der jüdischen Salons. »Wo ist unsere Zeit! Wo wir alle zusammen waren. Sie ist Anno 6 untergegangen. Untergegangen wie ein Schiff: mit den schönsten Lebensgütern, den schönsten Genuss enthaltend«, hat Rahel im Rückblick wehmütig über das hereinbrechende Ende dieser Salonkultur sinniert.

Rahel Levin
Rahel Levin

Es hielt sie bald nicht mehr in Berlin, sie war in Paris und Prag ebenso anzutreffen wie in Frankfurt oder Hamburg. Schließlich heiratete sie den wesentlich jüngeren, der Berliner Romantik und dem Jungen Deutschland verbundenen Schriftsteller und Journalisten Karl August Varnhagen von Ense, einen Freund Alexander von Humboldts. Er hat nach ihrem Tod Erinnerungsbücher an sie verfasst und ihre nachgelassenen Schriften und Briefe herausgegeben.

Dass es eine Frau, zumal eine Jüdin, war, die es an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert fertig brachte, wichtige Exponenten aus Kultur, Wissenschaft und Kunst um sich zu scharen und sich bei ihnen Gehör zu verschaffen, hat selbst Goethe Respekt abgenötigt, der meinte: »Oh die Levin hat sehr viel gedacht, hat Empfinden und Verstand; es ist etwas Seltenes, das muss ich sagen.«