Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)
§ 12. Kein germanischer Eigenname ist einer bösen Auslegung fähig, aber hat eine heillose Bedeutung
So wie andere Völker bei Erteilung der Eigennamen dachten und handelten, so dachten und handelten auch unsere deutschen Vorfahren. Der Erfinder eines germanischen Eigennamens hoffte nicht, dass das Kind, was er benannte, feige, träge, arm, dienstbar, schwach, verkrüppelt, blind, albern oder dumm werden sollte. Der Name also, womit das Kind seine ganze Lebensbahn durchwallen sollte, was ihn als Kind, Mann und Greis bei den Zeitgenossen und nach seinem Tode bei den Nachkommen bezeichnen sollte, konnte nicht von Fehlern des Körpers oder der Seele oder von einem Missgeschick entlehnt sein. Die echten germanischen Eigennamen sind selten rein auf uns gekommen, sondern größtenteils durch die lange Zeitfolge, wie ich unten näher ausführen werde, verstümmelt und verschroben. Diese Verunstaltung, noch mehr die Unkunde der alten Sprache, hat die Etymologen zu falschen Auslegungen veranlasst. Sie glaubten in den deutschen Eigennamen Tugenden und Laster, Glück und Unglück vorzufinden. Die nachgewiesene Natur und Sache, dann ein reiferes Urteil anderer Schriftsteller und endlich ein Verzeichnis echt germanischer Eigennamen widerlegen den Irrtum, so wie sie für den Satz bürgen: Kein echt germanischer Eigenname ist einer bösen Auslegung fähig oder hat eine heillose Bedeutung.