Berühmte Namensträger: Natalie

Von Ernö und Renate Zeltner


Da der Name Natalie sich auf den Tag der Geburt des Herrn bezieht, trugen ihn in alter Zeit häufig um die Weihnachtszeit geborene Mädchen. Besonders verbreitet war und ist der Name in Russland und Frankreich. Die russische wie die französische Form sind bei uns in jüngerer Zeit wieder in Mode gekommen.

Die Legende der heiligen Natalia ist eine lange Geschichte von standhaften Märtyrern und einer im Glauben unerschütterlichen Ehefrau – also von der Art, wie sie sich heute nur noch selten ereignet. Natalia war die Gattin des heiligen Adrian von Nikomedien. Er starb mit mehreren Glaubensgenossen einen Märtyrertod, bei dem auch ein Amboss im Spiel war. Daher gilt er als Schutzpatron der Schmiede. Natalia konnte, als Mann verkleidet, in seinen letzten Stunden bei ihm sein. Ihm wurden unsägliche Qualen bereitet und unter anderen Martern auch eine Hand abgeschlagen. Diese Hand behielt Natalia heimlich als Pfand. Sie selbst – jung, schön und reich konnte sich nach Adrians Tod in den Wirren einer grausamen, lüsternen Welt ihre Reinheit bewahren und ist schließlich in den Kreis der Heiligen eingegangen – nicht ohne vorher den Korpus und die Hand ihres Mannes wieder zusammengebracht zu haben.

Alle, die ihren oder einen ähnlichen Namen tragen, können am 1. Dezember Namenstag feiern und sollten wenigstens an diesem Tag ihres Heldenmuts (heute sagt man Zivilcourage) gedenken.

Von Heldenmut und ehelicher Treue konnte bei einer russischen Namensschwester nicht die Rede sein; Natalia Nikolajewna Gontscharowa (1814-1858) erwies sich als absolut untauglich und auch nicht willens, den Erwartungen zu genügen, die Ehemann Alexander Puschkin hegte. Bald nach ihrer Verlobung im Jahr 1830 schrieb er der schönen Geliebten feurig: »Die Damen fordern von mir Ihr Porträt und vergeben es mir nicht, dass ich keins besitze. Ich tröste mich, indem ich ganze Stunden vor der blonden Madonna zubringe, die Ihnen gleicht, wie zwei Tropfen Wasser einander gleichen. Ich würde sie kaufen, wenn sie nicht vierzig Tausend Rubel kostete.« Da ist sie also, die finanzielle Misere, die Puschkins Liebe und Leben in den wenigen Jahren, die ihm an der Seite Natalias blieben, ständig überschattete. 1831 hatten die verarmten Gontscharows, die eigentlich auf der Suche nach einer guten Partie für die blutjunge und bezaubernde Natalia waren, endlich ihre Zustimmung zur Hochzeit mit dem berühmten, aber mittellosen Dichterfürsten gegeben. Die Entscheidung Puschkins, nach einigen glücklichen Jahren mit seiner putzsüchtigen jungen Frau nach Sankt Petersburg und damit in den Dunstkreis des Zarenhofs und Nikolaus I. zu ziehen, sollte ihm zum Verhängnis werden. Der Herrscher kümmerte sich nicht nur viel zu intensiv um die reizende, aber nicht sehr gescheite Dichtersgattin, er demütigte den gehörnten Ehemann auch noch zusätzlich, indem er ihn zum Kammerjunker ernannte; das war ein höchst bescheiden dotierter Posten ganz unten in der höfischen Hierarchie, der Puschkin und damit Natalia an den Zarenhof band. Als dann auch noch ein französischer Royalist auftauchte und Natalia stürmisch den Hof machte, war es um Puschkins Contenance geschehen. Er forderte ihn zum Duell und fiel (1837).

Natalia Gontscharowa
Natalia Nikolajewna Gontscharowa

Natalia war zwar immer noch schön und jung, doch offenbar haben Zar und Liebhaber sie nach des Dichters Tod bald ihrem Schicksal überlassen. Sie ist, von Gesellschaft und großer Welt vergessen, in Ehr- und Einsamkeit gestorben.