Einfluss des Christentums

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)


Tileman Dothias Wiarda

§ 29. Anfänglich hatte das Christentum wenigen Einfluss auf fremde Namen.

Die Namen der Heiligen, welche von der christlichen Kirche verehrt wurden, waren die ersten, welche auf deutschen Boden gepflanzt wurden. Dies bewahren alle Urkunden, worin wir zuerst ausländische Taufnamen vorfinden. Johannes, Peter, Paulus und die Namen einiger anderen von der christlichen Kirche vorzüglich geachteter Heiligen sind nicht nur die ersten, welche in Deutschland aufkeimten, sondern sich auch in der Folge bis auf unser jetziges Zeitalter am meisten ausbreiteten. Hier liegt der Beweis, dass das Christentum zuerst die Einführung fremder Eigennamen veranlasst habe. Nicht aber auf einmal, sondern nach und nach schlichen sich ausländische Taufnamen ein. Schwach war der Anfang und unbedeutend der Fortgang in den ersten Jahrhunderten nach Gründung des Christentums. So wie in der ersten Kirche Juden und Heiden, die zum Christentum übertraten, keinen neuen Namen bei der Taufe erhielten, wurde auch den deutschen Proseliten kein neuer Taufname beigelegt. Der Namenswechsel veranlasst unstreitig bei erwachsenen Personen Irrungen in den bürgerlichen Geschäften. Schon daraus lässt sich vermuten, dass unsere deutschen Vorfahren bei der Annahme der christlichen Religion die ihnen nach der Geburt beigelegten Eigennamen beibehalten haben, so wie auch aus dem nämlichen Grunde die Mennoniten, welche die Taufe bis zu den Jünglingsjahren aussetzen, keinen Namenswechsel vornehmen. Indessen musste der Deutsche ungefähr drei Monate vor der förmlichen Aufnahme in das Christentum, der Taufhandlung, dem Priester seinen Namen aufgeben, um ihn in die Matrikel der Christen oder in das Kirchenprotokoll einzutragen. Später trat die Gewohnheit ein, dass der getaufte Heide, zwar nicht immer, doch öfters, bei der Taufe noch einen besonderen Namen erhielt. Solche nannte man binomii, zweinamige. Um nun die Kinder in der Zwischenzeit nicht namenlos zu lassen, wurden sie von den Eltern gleich nach der Geburt benannt. Auf diesen Namen allein wurden die Kinder getauft oder ihnen wurde auch wohl bei der Taufe ein zweiter Name gegeben. Dies ist denn wohl die erste veranlassende Ursache gewesen, dass man von der vaterländischen Sitte, dem Kinde nur einen Namen zu geben, in der Folge abgewichen ist und nachher dem Kinde zwei oder mehrere Namen bei der Taufe beigelegt hat. Nicht dieser zweite Taufname, sondern der erste Name galt als der rechte Eigenname, bei dem man in der bürgerlichen Gesellschaft auftrat und genannt wurde. Bediente sich nun etwa jemand beider Namen, so wurde nicht selten ausdrücklich hinzugesetzt, dass der zweite Taufname ein bloßer Beiname sei. Weil diese Taufnamen auch später selten ausländische Namen waren, hatte die Taufe und überhaupt die christliche Religion zunächst wenig Einfluss auf ausländische Namen. Behielt der Franzose die Eigennamen seiner Vorfahren bei, und nahm er nur selten einen ausländischen Namen auf; wie viel mehr müssen wir es dem Deutschen zutrauen, dass er, der so strenge auf vaterländische Gewohnheiten hielt, sich gegen ausländische Namen gesperrt, und sie nicht mit seinen vaterländischen Eigennamen vertauscht habe. Dies ist aber nicht eine bloße Vermutung, die in der Geschichte und in Urkunden des Mittelalters vorkommenden Namen überzeugen uns davon.