Fortdauer bis auf unser jetziges Zeitalter

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)


Tileman Dothias Wiarda

§ 26. Fortdauer echt germanischer und selbst der ältesten germanischen Eigennamen bis auf unser jetziges Zeitalter

Die ältesten germanischen Namen, die wir kennen, haben uns griechische und römische Schriftsteller aufgehoben. So sehr diese auch die germanischen Eigennamen verstümmelt, verschroben und nach ihrer Sprache umgeschmolzen haben, so haben sie uns doch den Urstoff gelassen. Wir treffen nämlich in den uns von den römischen Schriftstellern aufgehobenen germanischen Namen dieselben Bestandteile vor, die in den gotischen, skandinavischen, angelsächsischen, friesischen, fränkischen und alemannischen Namen liegen. So haben wir von Sig – Sigemundus, Segestes, Aegestes, Sesithacus, Sigimerus, Sigovesus; von er, ar: Armi-nius, Ariovistus, Araharius, Hariobaudes, Arpus, Erocus; von Man: Mannus; von ram: Rhamis; von Mar, Mer: Ucromerus, Sigimerus, Ingiomerus, Marobodus, Marcomarus, Viridomarus, Britomarus, Induciomarus; von ric: Deudorix, Cruptorix, Malorix; von Mund: Sigemundus, Hartomundus, Hildemundus, Agilimundus, Mundericus; von Carl: Cariovalda, Carolamus, Carioviscus, Chariomerus; von Wald: Catualda, Cariovalda; von Wer, ver: Verritus, Viridomarus, Virumarus, Vercingetorix, Verax, Vergasilanus; von Gast, gis: Haldegastes, Negigastus, Arbogastes, Legaisus; von hart: Hartomundus; von hil: Hildemundus; von brin, brit: Brinno, Brennus, Britomarus; von Marc: Marcomarus; von vel, ful: Velleda, Cativulcus; von vit: Viturgia; von lef, leof: Leonarius, Etleva; von lut, lot: Lotarius, Lucterius; von at, et: Ates, Attalus; von Kel, cel: Celtilus; von bol: Bolus, Bolgius; von bod, baud: Bodognatus, Marobodus, mellobaudes, Hariobaudes; von Vast, vist: Ariovistus, Fastidia; von Ing: Ingiomerus; von Teut: Teuta, Teutobochus, Deudonix, Tuisco, Teutomerus; von kann, ken, cin, cun: Cengetorix, Ganascus, Ganna, Cannabaudes, Gunda, Madus; von vic: Ollovicus, Divico, Elitovicus; von thur: Duras; von cot, cut, gat: Cotiso, Ambigatus, Cotuatus, Guturvatus; von al, ol: Ollavicus, Alectus u.s.w.

Nicht bloß diese in den ältesten germanischen Namen liegenden Bestandteile, sondern viele dieser Namen selbst sind fast vollständig oder doch unbedeutend verstümmelt auf uns gekommen. Brennus, der vor zweitausend Jahren das Schrecken Roms war, lebt noch hin und wieder besonders im nördlichen Deutschland im Brune und Brand. Sigemundus, Deudorix, Arminius, Leonarius, Lortarius, Lucterius, Verritus, Bolus, Cingetorix, sind Namen berühmter deutscher Männer, die größtenteils vor der christlichen Zeitrechnung und gleich nachher gelebt haben. Namen, die nach ihrem Ursprung eben so alt und noch älter sein können, als der des Brennus, und noch blühen sie unter uns in Sigismund, Diederich, Hermann, Leonard, Lothar, Luther, Geriet, Bole, Günter. Aus den griechischen und besonders römischen Schriftstellern lernen wir nur die Namen der Heerführer und der angesehensten Männer der germanischen Völkerschaften kennen, die mit den Römern in Kriege verwickelt waren oder auch zu gewissen Zeiten Bundesgenossen der Römer waren. Daher ist die Zahl der von ihnen aufgehobenen germanischen Namen nicht sehr beträchtlich. Ungleich mehr germanische Namen treffen wir in der Geschichte der Skandinavier, Goten, Langobarden, Angelsachsen, Friesen, Franken und Alemannen an. Daher können wir aus den Annalen dieser Völker ein weit vollständigeres Verzeichnis germanischer Namen ausmachen. Nicht deshalb, weil diese Annalen jünger sind als die Schriften der Griechen und Römer, sondern darum, weil sie uns eine größere Anzahl aufgezeichnet haben, finden wir in unserem jetzigem Zeitalter noch eine Menge dieser Namen blühend vor. So hört man noch bis auf diesen Tag die alten unverstümmelten Taufnamen: Ewald, Walter, Goldewin, Leopold, Alrich, Richard, Reinhard, Remmer, Conrad, Heinrich, Adelgunde, Hartman, Gebhard, Gothard, Eduard, Sigward, Gerhard, Garreit, Carl, Erich, Harbert, Arnold, Albert, Albrrecht, Otto, Adolph, Ulrich, Robert, Engelbert, Egbert, Bernard, Gisbert, Borchert, Burchard, Friederich, Ferdinand, Ludwig, Wolfgang, Arnolph, Rudolph, Ulffert, Hillerd, Hilrich, Hildebrand, Bernold, Barthold, Wilhelm, Hilmer, Ludolph, Reiner, Folmar, Volrath, Isbrand und viele weitere. Alle diese oder wenigstens die meisten derselben sind ohne Zweifel zu der Zeit, als Caesar, Plutarch, Strabo, Tacitus, Libius, Rela, Florus etc. schrieben, schon gangbare Namen gewesen. Sie sind uns nur von diesen Schriftstellern, die eine römische, nicht aber eine germanische Geschichte schrieben und die kaum die Hälfte der germanischen Völker kannten, nicht aufgezeichnet. Die Natur der Sache bringt es schon mit sich, dass alle diese Namen nicht zu einer und derselben Zeit aufgekommen sind. Einige sind zwar früher, andere später entstanden, doch leuchtet beim ersten Anblick ihr germanischer Ursprung hervor und alle stehen auf einer höheren oder niedrigeren Stufe des grauen Altertums.