Berühmte Namensträger: Ulrich

Von Ernö und Renate Zeltner


Bereits im 10. Jahrhundert erfolgte die erste Heiligsprechung eines Mannes namens Ulrich; es handelte sich um einen Grafen von Dillingen, der im Kloster St. Gallen erzogen und schließlich zum Bischof von Augsburg geweiht wurde. Als Ritter der Stadt Augsburg gegen die heidnischen Ungarn, die schließlich durch Otto den Großen auf dem Lechfeld geschlagen wurden, ist er in die Geschichte eingegangen. Die Ulrichslegende berichtet davon. Sankt Ulrich, den sich die Weber zum Schutzpatron erkoren haben, wird bei Ratten- und Mäuseplagen ebenso angerufen wie beim Ausbruch von Tollwut. Sein Namenstag ist der 4. Juli.

Dem berühmten Heiligen steht ein paar hundert Jahre später ein großer Ketzer namens Ulrich gegenüber. Huldrych Zwingli (1484-1531) war der Reformator der deutschen Schweiz. Er wirkte nach theologischen und humanistischen Studien zu Wien und Basel in mehreren Orten der Schweiz als Pfarrer und seit 1518 am Münster in Zürich. Beeinflusst von den Schriften des Erasmus von Rotterdam und den antipäpstlichen Protesten Luthers predigte er im Geiste der Reformation für die »Erneuerung der Kirche an Haupt und Gliedern«. Er lehnte die kirchlichen Fastengebote ebenso ab wie das Zölibat. Dem Gottesdienst gab er ein nüchternes Gepräge, wie es seiner humanistisch-kühlen, unmystischen Art entsprach, und stellte die Predigt in den Mittelpunkt.

Mit Luther stimmte Zwingli in grundlegenden Fragen überein, radikaler war er im Liturgischen. Zum unüberbrückbaren Gegensatz kam es in der Abendmahlslehre.

Manche Forderungen des schweizerischen Kirchenreformers, mit denen er gegen den prunkvollen Kult der alten Kirche vorging (dem Verbot der Messen, der Bilder, Lichter und der Musik), erinnern an die Rigorosität der späteren Puritaner in England und Amerika. Er hat auch die Firmung und die Letzte Ölung abgeschafft und die Klöster aufgelöst. Die Kluft zwischen den schweizerischen Reformatoren und den Wittenbergern konnte beim Marburger Religionsgespräch (1529) nicht überbrückt werden, so kam es dann zur Aufspaltung der Protestanten in das Augsburgische und das Helvetisch-Reformierte Bekenntnis. Zwingli hat Luther vorgeworfen, auf halbem Wege stehengeblieben zu sein. Aber auch Luthers Urteil über den Reformator aus Zürich war nicht gerade schmeichelhaft; er hielt ihn für keinen richtigen Theologen, er galt ihm vielmehr als einer, der »nur aus Büchern allein gelernt, und nicht erfahren« hat. »Ich hab vil nuss aufgebissen, die löchert warden« – heißt es bei ihm –, »und ich meindt, sie weren gut. Zwinglius, Erasmus sind eitel löcherte nuß, die eim ins maul scheissen.«

Im Einvernehmen mit dem weitgehend von Zwingli beherrschten Zürcher Rat als kirchliche Obrigkeit baute dieser eine reformierte Staatskirche auf und gab ihr eine strenge Kirchenordnung. Ein Auszug aus den Geboten zur Durchsetzung einer »religiös-sittlichen Ordnung« zeigt den Geist des 1530 erlassenen >Sittenmandats<:

Kein Wirt darf Einheimischen an Sonn- und Feiertagen vor der Predigt Speise und Trank geben. Kein Einheimischer soll sich nachts nach neun Uhr mehr im Wirthaus finden lassen, auch dürfen nach dieser Zeit keine Schlaftrünke außer Haus verabreicht werden, Kranker vorbehalten. Kein Wirt darf einem Einheimischen auf seine Früchte und so weiter noch auch auf Kreide zu schreiben oder sonst über zehn Schillinge borgen … Weil aber das Spiel, wie unsere biederen Landleute klagen, die meiste Ursache aller Winkelwirtschaften, Frevel und anderer Unfuge ist, so haben wir auf das Ersuchen unsrer Landleute alle Spiele verboten, es sei mit Karten, Würfeln, Brettspiel, Schachen, Kegeln, Wetten und so weiter.

Sein Leben ließ der streitbare Reformator als Feldgeistlicher 1531 im Gefecht bei Kappel, das für die Zürcher und ihre Bundesgenossen verloren ging – sie wollten die noch nicht gewonnenen fünf katholischen Urkantone militärisch zwingen, sich ihnen anzuschließen. Zwingiis Leichnam wurde verbrannt und seine Asche dem Wind übergeben.

Ulrich Zwingli
Die Tötung des Ulrich Zwingli

Der Zufall wollte es, dass auch ein anderer papstkritischer Kirchenreformer, der deutsche Humanist und Poet Ulrich von Hutten (1488-1523), Träger dieses Namens war. Mit 17 Jahren lockte ihn der Geist der neuen Zeit aus der Fuldaer Klosterschule und ließ ihn zum Anhänger Luthers und zu einem leidenschaftlichen Vorkämpfer für politische, geistige und religiöse Reformen werden. Zermürbt im Kampf mit der übermächtigen Fürstenherrschaft und der Geistlichkeit, vom Papst gebannt, politisch isoliert und durch die damals grassierende »franzesische Krankheit« geschwächt, fand er unter der Obhut von Zwingli Zuflucht auf einer Insel im Zürcher See, wo er bereits mit 35 Jahren starb.