Zu vermeidende Fehler

Von Tileman Dothias Wiarda, 1799 (bearbeitet von Knud Bielefeld)


Tileman Dothias Wiarda

§ 20. Fehler, welche bei Auslegung eines Namens zu vermeiden sind

Vorhin ist nachgewiesen, dass ein germanischer Name so wenig Unsinn enthalten, als auf ein Laster, Mangel und Unfall Bezug haben könne. Bereits Luther fühlte dieses. Wenn auch in seiner Abhandlung von den deutschen Namen seine Auslegung dem Sinn und der Kraft der Wörter nicht immer entsprechend ausgefallen ist, so hat er doch diesen Fehler sorgfältig vermieden. Um so viel mehr muss man sich wundern, wenn jüngere und darunter scharfblickende Wortforscher diesen beiden in die Augen fallenden, so leicht zu vermeidenden Klippen selten ausgewichen sind. Dem alten Abt Smaragd, der bereits im neunten Jahrhundert gelebt haben soll, kann man es allenfalls zugeben, wenn er aus Altmir – alt – mir, (vetulus mihi) Regimir, reich – mir, Watmir, Kleid mir, Rigmund – großes Maul usw. macht. Unverzeihlicher ist es aber, wenn weit jüngere Wortforscher bei ihrer Auslegung Unsinn einmischen. So erklären einige unter ihnen Albert durch ganz Bart, Altwin durch alten Wein, Bobognat durch gnädigen Knecht oder Boten, Dode und Totilas durch kleinen Gott, Frigerit durch frei von Reiten, Fulbert durch vollen Bart, Odoacer durch öde Acker, Radegais durch roten Gaisbock etc.

Überhaupt muss man bei Erklärung eines Namens darauf achten, dass die Auslegung nicht nur mit einem Sinn verknüpft, sondern auch den Namen angemessen ist, wenn die Wörter verschiedene Bedeutungen haben. So wird Bertruda nicht die berühmt geliebte, sondern das liebe, das traute Kind, Reinfried nicht reiner Friede, sondern Grenz- oder Landesbeschützer, Ludovic nicht Volkskrieger, sondern des Volks Schutz, Frideric nicht reich an Frieden, sondern starken Schutz usw. bedeuten. Noch mehr entehren die Wortforscher den Geschmack, den gesunden Verstand und den biederen Charakter unserer Vorfahren, wenn sie glauben, dass diese ihren Kindern Namen beigelegt haben, die Unanständigkeiten, Laster und Fehler des Körpers oder der Seele bezeichnen. So macht sie aus Adelbert – Adelbrecher, aus Radprecht – Ruhestörer, aus Asbrecht (Cadaver) – Asbrecher, aus Bernard – Bärenart, aus Eberhard – Schweinesart, aus Eland – einen Verbannten, aus Bertwald – Schänder der Bertha, aus Malhute – die malle (dumme) Haut usw.

Es ist unbegreiflich, wie die Wortforscher auf solche dem Geist ihrer Vorfahren widersprechende Tändeleien haben geraten können, da sie doch selbst gestehen, dass man in den germanischen Namen etwas Großes und Erhabenes suchen müsse. Trifft man daher die Auslegung eines Namens an, welche mit einem Unsinn verknüpft ist oder gar auf ein Laster, auf Untugenden, Unanständigkeiten, Leibes- oder Geistesschwäche, auf Unglücksfälle und Missgeschick ausgeht, so kann man sicher schließen, dass eine solche Auslegung falsch sei. Dieses sind somit einige der Regeln, die man bei Erklärung der deutschen Taufnamen zu beachten hat, und andernteils die Abwege, die man meiden muss.