Versuch einiger Regeln bei der Benennung deutscher Kinder

Dieser Beitrag stammt aus dem Jahr 1782 und enthält einige aus heutiger Sicht originelle Vorschläge zur Namensfindung.

Ungeachtet ich selbst noch keine Kinder habe, und auch, da mir das nötigste Stück dazu, nämlich ein Frau, noch fehlt, sobald wohl keine bekommen werde, so will ich hier doch einige Regeln entwerfen, wie man in Zukunft deutsche Kinder, besser und vernünftiger als bisher geschehen, benennen könnte. Vielleicht gibt es einige meiner Freunde, die davon Gebrauch machen und solche Regeln benutzen wollen, und diesen zu Gefallen will ich solche hier mitteilen. Dass sie nicht nach dem Geschmack eines jeden sein werden, weiß ich im Voraus. Von einem Verfasser aber, der auch nicht nach eines jeden Geschmack ist, muss man auch keine anderen Arbeiten als solche begehren.

Abbildung: Zeitschriften der Aufklärung1. Die Tauf- oder Vornamen deutscher Kinder sollten billig alle deutsch sein, damit man daraus deren Vaterland und Herkunft sehen könnte. Juden mögen ihren Kindern hebräische, und Franzosen den ihrigen französische Namen geben, und sich dadurch von uns unterscheiden. Ein wahrer Deutscher aber lässt ihnen diese, er macht sich eine Ehre daraus, wenn man ihn für einen Deutschen hält, und sucht deswegen nicht seine Herkunft mit einem fremden Namen zu verbergen und zu maskieren, sondern mit einem deutschen zu zeigen und zu beweisen.

2. Jedes Kind soll nicht mehr als einen Vornamen haben, denn wozu eine Sache hinreichend ist, da ist eine zweite unnötig. Viele Namen dienen zu nichts als uns und anderen mehr Arbeit im Schreiben zu machen.

3. Dieser Name soll niemals mit den Namen der Eltern gleichlautend sein. Durch die Beobachtung dieser Regel würde in Zukunft vielen Verwirrungen, besonders in der Historie, vorgebeugt werden.

4. Muss derselbe nichts Unanständiges enthalten. Es ist schon schändlich genug für uns, dass wir so viele deutsche Geschlechts- oder Zunamen haben, die nach der Bierschenke oder wohl gar nach dem Schweinestall riechen. Dergleichen müssen sich gesittete Deutschen enthalten.

5. Soll er nicht ohne Bedeutung und geschmacklos, sondern nachdrücklich, körnicht* und sinnreich sein. Gottlieb, Thurecht, Friedreich, Fleißmann, Ehregott, Wahrmund, Tugendfreund, Biedermann, Reinherz, Sittenhold, Winterjung, Lasterfeind, Freimännin, Keuschlebin, Stolzseindin, Glückmännin, Sommertochter, Frühlingskind, Edelherzin, Tugendbraut, Ehrentochter, Gartenkind, Treumädchen, Gottholdin und tausend andere mehr.

6. Muss er nicht zu lang, sondern kurz als möglich sein, denn je weniger ein Name zusammengesetzt ist, desto besser lässt er sich mündlich und schriftlich gebrauchen.

7. Soll er sich gut aussprechen lassen. Hat er diese Eigenschaft, so wird er in geschwinden Sprachen weniger verdorben.

8. Muss er nicht mit der Wahrheit streiten. Einen Knaben, der in den Hundstagen geboren worden, Wintersohn zu heißen, würde sehr lächerlich sein. Mein Vater hieß mich Jakob Friedrich. Jakob heißt auf deutsch ein Fersenhalter**. Wie dieser Name auf mich passte kann ein jeder selbst denken, wenn ich ihm sage, dass die zwei Kinder , welche meine Mutter gebahr, anderthalb Jahr nacheinander zur Welt kamen, und ich dazu noch das erste davon war.

9. Soll dieser Name nicht von dem anderen Geschlecht geborgt sein. Den Knaben gehören Männernamen, und den Mädchen Frauennamen. Werden diese verwechselt und es wird von einem Menschen gesprochen oder geschrieben, so weiß man oft nicht, ob er männlichen oder weiblichen Geschlechts ist. Der Name Maria, der in einigen Ländern auch den Knaben beigelegt wird, kann hier als Beispiel dienen.

10. Müssen die Namen nicht von den Paten oder Taufzeugen gelehnt werden. Das Recht einem Kind einen Namen zu geben, kommt einzig und allein dem Vater zu, und dieser muss hierin völlige Freiheit haben. Den Taufzeugen kann es gleich viel sein, ob das Kind mit ihnen einerlei Namen habe oder nicht. Vernünftige werden selbst anraten, dass man ihre oft ungereimten und lächerlichen Namen dem Kinde nicht beilege.

11. Muss er auch nicht verunstaltet werden. Aus Friedreich mache man nicht Frize oder wie die Schweizer Fridli und so weiter sondern man lasse jeden Namen wie er nach der besten deutschen Mundart sein muss.

* körnicht bedeutet soviel wie „gediegen, gehaltvoll“
** Unter einem Fersenhalter versteht man den Zweitgeborenen bei Zwillingen.

Quelle: Ursprünglich 1782 von Friedrich Ehrhart im zweiten Band der „Ephemeriden der Menschheit“ veröffentlicht. 2010 von Knud Bielefeld transkribiert und überarbeitet.

17 Gedanken zu „Versuch einiger Regeln bei der Benennung deutscher Kinder“

  1. Ein sehr schwächlicher Artikel des bekannten Biologen (ich gehe davon aus, dass es es war, der diesen Artikel schrieb).
    Erst widerspricht er sich in Punkt 5 und 6 vollkommen….dann versucht er reichlich naiv und eines Wissenschaftlers leicht unwürdig seinen ersten Vornamen Jakob blödsinnig zu machen. Natürlich war ihm klar, dass er nach dem heiligen Jakob oder nach dem Stammvater Isreal benannt worden war und dass die wörtliche (angebliche) Bedeutung niemanden interessierte. Treumädchen und Tugendbraut waren für den damals schon 40 jährigen wohl auch nicht mehr auf dem „Markt“ zu finden. So projetierte er wohl seine eigenen Wünsche auf die erfundenen Vornamen.

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  2. zu:“Juden mögen ihren Kindern hebräische, und Franzosen den ihrigen französische Namen geben, und sich dadurch von uns unterscheiden. Ein wahrer Deutscher aber lässt ihnen diese, er macht sich eine Ehre daraus, wenn man ihn für einen Deutschen hält, und sucht deswegen nicht seine Herkunft mit einem fremden Namen zu verbergen und zu maskieren, sondern mit einem deutschen zu zeigen und zu beweisen.“

    alter wat bist´n dun für Vollpfosten?
    habense dir in dein Hirn geschissen du Spinner, ein wahrer Deutscher,
    deine politische Gesinnung ist ja somit auch klar, und
    dass du keine Frau hast ist ja nun auch nicht verwunderlich.
    Vollhorst!!

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    • Ach, die Jugend von heute… die wichtigsten Informationen gar nicht erst gelesen, aber trotzdem einen blöden Kommentar geschrieben.

      Der erste Satz des Artikel lautet: „Dieser Beitrag stammt aus dem Jahr 1782“. Nicht, dass man das nicht an den Formulierungen sofort erkennen könnte… oder daran, dass unter dem Artikel steht: „Quelle: Ursprünglich 1782 von Friedrich Ehrhart im zweiten Band der “Ephemeriden der Menschheit” veröffentlicht.“

  3. „…aus heutiger Sicht originelle Vorschläge zur Namensfindung.“

    Prä-Faschistischer Scheiss!!

    Während diese Art der Gesinnung bis 1945 im deutschen Raum legitim gewesen sein mag habe ich jedoch GRÖßTE BEDENKEN wenn solch ein Artikel jetzt aus der Versenkung geholt wird und offensichtlich konsensfähig gemacht werden soll.

    Bezeichnend ist auch, dass der Autor/Admin dieser Seite keinen Namen des Verfassers dieses (wenn auch größtenteils übernommenen)Textes angibt.

    IN EINER DEMOKRATIE DARF JEDER SEINE MEINUNG HABEN aber man sollte auch dazu stehen!

    IMAO sehr bedenklich, dass darauf kein Wert gelegt wird – weitere POLITISCH NEUTRALE INFORMATIONSFINDUNG SCHEINT MIR NICHT GEGEBEN, wenn solche Artikel auf diese Weise hier veröffentlicht werden.

    Besser man sucht woanders nach Namen für sein Kind.
    Mal schauen, ob der Artikel weitere 2 Jahre online bleibt.

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    • Zunächst einmal der Hinweis, dass ich mit der Veröffentlichung dieses historischen Dokuments nicht beabsichtige, den Artikel „konsensfähig zu machen“. Ich teile auch ganz sicher nicht die Ansichten des Verfassers.

      Zum angeblich fehlenden Namen: Am Ende des Artikels, unter „Quelle“, steht sowohl der Name des ursprünglichen Verfassers (Friedrich Ehrhart) als der Name desjenigen, der diesen Artikel „aus der Versenkung geholt“ hat (Knud Bielefeld). Was fehlt da noch?

    • Wieder so ein Besessener, der glaubt der Zeitgeist in dem er mitschwimmt muß rückwirkend verbindlich und ewiglich gültig sein. Das ganze mit Fäkalsprache untermauert ein astreines Armutszeugnis.

  4. Das historische Schriftstück fand ich sehr amüsant, aber die aufgeregten Kommentare dazu finde ich ehrlich gesagt noch viel lustiger.

    Dem Herrn Florian empfehle ich die Bedeutung des Begriffs „Faschismus“ nachzuschlagen, wenn er denn so vehement die Zensur geschichtlicher Schriftstücke empfiehlt, weil diese nicht in sein Weltbild passen …

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  5. Wer lesen kann ist klar im Vorteil. Jonas und Florian, drückt noch einmal die Schulbank, bevor ihr so einen Schrott von euch gebt. Das Wesentliche wird einfach überlesen und das Hirn nicht eingeschaltet. Echt traurig.

    Ich finde diesen Artikel jedenfalls interessant. Es gibt immer noch genug Eltern, die ihrem Kind einen lächerlichen Namen geben (z.B. „Harper Seven“). Mit diesem Namen ist das Kind ein Leben lang gestraft.

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  6. Einiges ist einfach früherer Zeitgeist und kann man getrost vergessen. Anderes ist nach wie vor aktuell und ein guter Tipp – schließlich führt es ja tatsächlich zu Verwechslungen, wenn ein Kind denselben Namen wie die Mutter oder der Vater trägt. Und es führt auch zu Kuriositäten, wie dass am Ende eine alte Frau ist, die die ganze Verwandtschaft dann immer noch als „die kleine Anni“ kennt. Und ich wundere mich auch über Eltern, die dem Kind einen Namen geben und und von vorneherein planen, ihn dann im Alltag abzukürzen. So toll kann der Name dann ja nicht sein …

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    • Hallo :0)

      Im Alltag lisa , Leni, Anna und Babs , Lotti ,lola, Sissi, Mag abgekürzt genannt zu werden ist okay.

      Aber Dr. Med Elisabeth oder Dr vet. Helena oder Dr phil Eleonore oder Prof Magarethe oder Ing.Charlotte ist besser :0) ??!

      Lg Marion

  7. Ich finde das ganze ja einigermaßen interessant, aber Artikel 2 ist totaler Blödsinn.
    Es gibt doch heutzutage so tolle Doppelnamen, wie zum Beispiel „Marie-Sophie“ oder „Jan-Leon“, die sind ja trotzdem noch sinnvoll und „körnicht“!
    Ich heiße ja eigentlich auch Juri-Konstantin, und Doppelnamen sind auch etwas tolles, obwohl man sich Gedanken darüber machen sollte, daß eine Abkürzung hier sinnvoll wäre.

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  8. Besonders witzig fand ich die Aussage, dass man keine jüdischen Namen nehmen sollte – und kurz drauf lobt er den (seinen) Namen „Jakob“… 😉

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  9. Wow! Eine doppelte Zeitreise. Einmal ins 18. Jahrhundert und dann noch ins Jahr 2010. Verrückte Zeiten waren das.

    Am 18. Jahrhundert fasziniert mich, dass der ganze Text genauso auch hier einer der Kommentare hätte sein können. Der „Zeitgeist“ ist ein anderer, aber man macht sich dieselben Gedanken. Sehr spannend in dieser Kombination.

    Zum nationalistischen Anteil muss ich sagen, dass ich 2023 auch nicht davon begeistert bin, in den „Babynamen der Woche“ Kommentare zu lesen wie:

    [irgendein Name, der (in dieser Schreibweise) in Deutschland mutmasslich keine jahrhundertelange Tradition hat] – oh, ein*e kleine*r [Nationalität bitte einfügen]

    Die Kinder aus diesen Listen wurden alle in Deutschland (vielleicht auch mal in einem anderen deutschsprachigen Land?) geboren und werden voraussichtlich auch in Deutschland aufwachsen und sozialisiert werden. Möglicherweise bringen diese Kinder zusätzlich auch ausländische Wurzeln mit, vielleicht finden die Eltern aber auch nur diese Namen schön. Für mich macht es allerdings einen Unterschied, ob man den Ursprung eines Namens klärt oder die Identität eines Kindes. Letzteres hängt von mehr Faktoren ab als von der vermeintlichen Herkunft der Eltern. Sie muss sich erst entwickeln und kann nur vom Kind selbst beantwortet werden. Diesen Kindern aufgrund ihres Namens, direkt nachdem sie in diesem Land auf die Welt gekommen sind, ganz beiläufig eine deutsche Identität abzusprechen, empfinde ich als anmassend und wenig integrationsfördernd – welche bekanntlich von beiden Seiten kommen muss.

    Ich möchte gar nicht behaupten, dass die Kommentator*innen diese Absicht verfolgen, ganz und gar nicht. Vielleicht ist es sogar auf irgendeine Art wertschätzend gemeint. Meine Perspektive darauf ist jedenfalls die oben beschriebene.

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  10. Ich habe mich ja längst als Fan „wortiger“ Namen geoutet. Daher freue ich mich sehr über diese Sammlung. Hat’s die alle gegeben oder ist der grösste Teil vom Autor frei erdacht?

    Gottlieb * steht bei mir auch im Stammbaum

    Sittenhold * verbinde ich ohne Umwege direkt mit dem Gegenteil Sittenstrolch. Ist sich einfach zu ähnlich.

    Lasterfeind * wird sicher kein LKW-Fahrer. Konnte ich mir leider nicht verkneifen.

    Winterjung, Sommertochter, Frühlingskind, Gartenkind * über diese schönen Naturnamen habe ich mich wirklich gefreut. Die finde ich einfach nett, eher als Beiname, denn als Rufname, aber nett.
    Noel Winterjung Müller
    Ronja Sommertochter Meier
    Luca Gartenkind Hoffmann-Sommer
    Sind derartige Namen schon offiziell vergeben worden, Knud??

    die möglichst „eindeutige“ Geschlechtszuordnung finde ich spannend:

    Fleißmann, Winterjung, Biedermann * eindeutig männlich, da die Geschlechtszuordnung explizit genannt wird

    Tugendfreund, Lasterfeind, Sittenhold * durch das grammatikalische Geschlecht männlich

    Ehregott, Gottlieb * eigentlich könnte das unisex sein. Zuerst dachte ich, dass „Gott“ im Namen wohl genügt, um Männlichkeit zu suggerieren, aber es gibt auch ein weibliches Beispiel dazu.

    Thurecht, Friedreich, Wahrmund, Reinherz * Keine klare geschlechtliche Zuordnung feststellbar. Friedr(e)ich hat sich allerdings als männlich etabliert.

    Freimännin, Glückmännin, Sommertochter, Tugendbraut, Ehrentochter, Treumädchen * hier ist das Geschlecht ganz klar erkennbar. Aber Frauen gab’s wohl keine, stattdessen Männinnen, Bräute von Männern und Töchter von ihren männlichen Vätern und ein Mädchen, dass niemals eine (pssst) Frau werden soll.

    Keuschlebin, Stolzseindin, Edelherzin, Gottholdin * hier wird das Geschlecht grammatikalisch angebastelt, mal besser mal umständlicher.

    Frühlingskind, Gartenkind * definitiv unisex. Aber das wollte er doch zu verhindern wissen. Welches Geschlecht hatte er sich dabei wohl gedacht?

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  11. Dass man historische Quellen in den Kontext ihrer Zeit einordnen muss, ist offenbar nicht jedem klar. Ich finde es jedenfalls interessant und amüsant, welche Gedanken man sich in anderen Zeiten zur Namensfindung gemacht hat.

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