Gutachten über umstrittene Vornamen

Von Miriam Elmers


Die Arbeit der Namenberatungsstelle der Gesellschaft für deutsche Sprache

„Ach wissen Sie, ein Kind Pumuckl zu nennen wäre heute kein Problem mehr. Das ist doch eine Koseform von Nepumuk. Wenn Resl zu Therese geht, warum dann nicht Pumuckl?“ Dr. Gerhard Müller, Namenberater bei der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden, lehnt sich entspannt in seinem Sessel zurück. Der Fall hatte Anfang der achtziger Jahre hohe Wellen geschlagen – Eltern wollten ihren Sohn Pumuckl nennen, das Standesamt lehnte ab, die Eltern zogen vor Gericht. Bis heute wird dieser Streit gerne angeführt, wenn es um die Zulässigkeit von Vornamen geht – für Müller ist er lediglich eine Anekdote. Das Oberlandesgericht Zweibrücken gab damals den Eltern Recht, Pumuckl ist heute ein junger Mann, er trägt noch andere Vornamen – und seitdem wollte, soweit Müller das weiß, niemand mehr sein Kind so nennen. Wäre aber auch, wie gesagt, kein Problem mehr – „da ist man mittlerweile doch liberaler geworden“.

Zehn Gutachten pro Tag
Aber auch heute haben Eltern besondere, mitunter ganz ausgefallene Wünsche. Jeden Tag landen auf Müllers Schreibtisch durchschnittlich zehn Anfragen von werdenden und vor allem von frischgebackenen Eltern. „Hier – einige Beispiele: Breshna, Gersibelle, Omaima“, liest Müller vor, in einem Stapel von Briefen blätternd. So exotisch manche Namen auch klingen mögen – mit Sicherheit haben sich die Eltern immer etwas dabei gedacht. Sie haben sich den Namen bewusst ausgesucht, ausgedacht, sich in ihn verliebt. Das Standesamt jedoch hat Zweifel – und nun wollen alle Klarheit, ob der Name auch ein Name ist. Dabei ist es so, dass Gerhard Müller und seine Kollegen von der Gesellschaft für deutsche Sprache darüber rein rechtlich gar nicht zu entscheiden haben – sie sind ja keine Juristen. „Wir geben nur – sachlich begründete – Empfehlungen ab. Wenn ein Standesamt nicht sicher ist, weil der Name nicht im `Internationalen Handbuch der Vornamen` steht – dann werden die Eltern an uns verwiesen“, erklärt der Sprachwissenschaftler. Die Eltern also schicken einen Brief oder rufen an – und gegen eine Gebühr von 15 Euro legt Müller los.

Deutsches Vornamenrecht

Eigentlich klingt seine Aufgabe nicht so kompliziert: Er muss herausfinden, ob es den gewünschten Vornamen irgendwo auf der Welt gibt – er muss den „Charakter eines Vornamens“ haben, das ist in Deutschland die erste Grundregel für Vornamen. Zweitens muss Müller klären, ob der Name eindeutig männlich oder weiblich ist. Falls nicht, wie etwa bei Kim, muss ein eindeutiger Zweitname her. Auch zur dritten Grundregel – der Name darf dem Kindeswohl nicht schaden, das Kind nicht lächerlich machen – nimmt Müller Stellung: „Von Namen wie Gift, Nivea oder Filou habe ich schon mal abgeraten.“ Bei vielen Anfragen weiß Müller sofort, ob der Name zulässig ist oder nicht – schließlich ist er seit vielen Jahren einer der deutschen Sprach- und Namensforscher schlechthin. „Sachworte wie `Wald` oder `Fröken`, also Fräulein, sind als Vornamen nicht zulässig, Gersibelle dagegen kein Problem. Das ist ja eine – wenn auch besondere – Zusammensetzung von Gertrude und Isabelle“, sagt er.

Akribische Recherche

Und was er nicht auswendig weiß, das schlägt er nach. Mehr als 200 deutsche und 300 ausländische Namenbücher stehen ihm und seinen Kollegen zur Verfügung, neue Namenbücher, alte Namenbücher, Namenbücher aus Finnland und Süd-Afrika, aus den USA und Brasilien, in kyrillischer und arabischer Schrift. „Das ist manchmal gar nicht so einfach, sich darin zurechtzufinden“, gibt er zu. „Arabisch habe ich mal gelernt, Kyrillisch kann ich gut entziffern – aber wenn die Erklärungen auf Finnisch oder Hebräisch sind, dann wird´s schwieriger …“ Doch wenn er einen Namen überhaupt in einem Buch findet, ist der Fall schon weitgehend geklärt. Ist der Name nachweisbar, schreibt Müller einen förmlichen Bestätigungsbrief, in dem er die Hintergründe kurz erläutert und dem Standesamt die Anerkennung empfiehlt. „Und die folgen unseren Empfehlungen fast immer“, erzählt er ein bisschen stolz.

Manche Namen gehen gar nicht

Schwierig wird es aber, wenn selbst Gerhard Müller den gewünschten Vornamen nicht kennt und auch nicht findet. Dann bekommen die Eltern einen Brief oder Anruf, dass die Anerkennung des Namens nicht empfohlen werden kann. „Das tut mir oft richtig leid – den Eltern liegt der Name ja immer sehr am Herzen“, erzählt er bedauernd. „Aber zum Beispiel `Versavian`: Diesen Vornamen scheint es nirgendwo zu geben, für mich deutet die Endung auf einen Familiennamen etwa aus dem Armenischen oder einen ähnlichen Sprache hin. Wenn ich nun dieses Mal einen Familiennamen durchgehen lasse, dann muss ich das immer tun. Und das geht natürlich nicht. Da ist das deutsche Namensrecht eben strenger als in anderen Ländern.“ Allerdings: Ablehnende Bescheide muss Gerhard Müller nur selten schreiben, vielleicht zehn pro Jahr, darüber ist er froh. Und natürlich können die Eltern auch nach seinem Bescheid selbst Nachweise bringen – und möglicherweise das Standesamt und im äußersten Fall ein Gericht überzeugen.

Geschmack zählt nicht

Und was ist mit Namen, die ihm selbst einfach nicht gefallen? „Das ist mir mittlerweile wirklich egal, weil es nicht meine Sache ist“, sagt Müller. „Wir sind Berater, nicht Richter.“ Früher habe er sich mehr Gedanken darüber gemacht. „Aber: Es ist eben eine Geschmackssache, und die geht nur die Eltern an.“ Sein eigenen, mittlerweile erwachsenen Kinder übrigens heißen Frank und Katja.

Erstveröffentlichung des Beitrags am 6. Februar 2008 bei suite101.de, Veröffentlichung auf beliebte-Vornamen.de mit Genehmigung der Autorin Miriam Elmers

6 Gedanken zu „Gutachten über umstrittene Vornamen“

  1. Das die Nummer vom Standesamt ,für die Gesellschaft für Dt Sprache mit Sitz in Wiesbaden, eine 0900 Nummer mit 1,86€/min ist sagt einem keiner da fällt das Gutachten mit 18€ eher klein aus sieht man sich die vermeintliche Beratungszeit von ca. 10 min =9,30€ an.

    Und das soll rechtens sein???

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    • Ob es rechtens ist kann ich nicht beurteilen. Zumindest ist es unfair vom Standesamt, nicht auf die Kosten hinzuweisen. Auf der Internetseite der Gesellschaft für deutsche Sprache sind die Kosten für die 0900 Nummer jedenfalls angegeben. Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man die Gutachten auch über die andere angegebene (normale Wiesbadener) Telefonnummer anfordern. Die 0900 Nummer ist vermutlich nur für Sofortauskünfte gedacht.

  2. Ich finde es so absurd, dass es einen Namen schon geben muss, um sein Kind danach zu nennen. Gott sei dank gab es solche Gutachter nicht schon immer. Sonst gäbe es wohl keinen einzigen Vornamen 🙂
    Warum gibt sich dieser gebildete Mensch dafür her?

    Ich hoffe, dieses dämliche Verfahren wird bald abgeschaft.

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  3. Oben heißt es, dass es den Namen „Versavian“ nicht gibt. Auf Youtube gibt es aber eine Sängerin mit dem Vornamen „Versavia“, das „n“ ist die männliche Endung.
    Das nur als Tip für den Herrn Wissenschaftler.

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  4. Eindeutig weiblich/männlich müssen Vornamen in Deutschland spätestens seit dem Kilian-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2006) nicht mehr sein. Ein Zweitname für Eike oder Kim ist also nicht nötig.
    Leider wissen die meistens Standesbeamten nichts von dem BVerfG-Urteil und erzählen weiter irgendwelchen Unsinn vom geschlechtsspezifischem Zweitnamen. Ein Gesetz, das eine solche Regelung vorsah, gab es übrigens nie. Es war nur immer so üblich.

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