Heimatangaben in römischen Namen

Teil 15 des Aufsatzes Die römischen Eigennamen der republikanischen und augusteischen Zeit von Theodor Mommsen (bearbeitet von Knud Bielefeld).

Noch mag mit wenigen Worten der zu dem römischen Namen hinzutretenden Bezirks- und Heimatangaben gedacht werden. Die Curie und die Geschlechtstribus sind nie zum Namen hinzugesetzt worden. Beide ergaben sich aus dem Geschlechte von selbst, weil jedes patrizische oder plebejische Geschlecht einer bestimmten Curie und mit dieser einer Geschlechtstribus als integrierender Teil angehörte.

Über die Hinzufügung der servianischen Tribus zu dem Namen ist zum Teil bereits gesprochen worden. Sie beschränkt sich zu Recht auf die Männer, denn diese Tribus sind lediglich politische und nicht, wie die Gentes, zugleich sakrale und verwandtschaftliche Verbände. Zunächst findet sich die Tribus als Distinktiv vereinzelt, aber schon früh bei solchen Individuen, die kein Cognomen besitzen. So erscheint auf den Münzen der republikanischen Zeit die Tribus nur auf den Denaren der Memmier, ferner auf einem des C. Marius C. f. aus der früheren augusteischen Zeit, welchen beiden Geschlechtern bekanntlich das Cognomen fehlt. Dasselbe gilt von den Inschriften wenigstens der vorsullanischen Zeit: wir finden die Tribus ohne Cognomen auf zwei der oben angeführten Künstlerinschriften. Diese sind überhaupt die ältesten Inschriften, die eine Tribus nennen. Vereinzelt kommen Tribus auch auf einigen Grabschriften vor, die der vorsullanischen Zeit angehören mögen. Damit stimmt auch der ciceronische Sprachgebrauch überein.

Dieser Gebrauch der Tribus wird begreiflicher Weise seltener, seit das Cognomen in allgemeineren Gebrauch gekommen war. In der Kaiserzeit begegnen wir davon nur geringen Spuren. Dagegen gehörte die Tribus im allgemeinen nicht zur förmlichen Nomenklatur nach der älteren Ordnung. Das zeigt am deutlichsten die Beamtenliste, die wohl das Cognomen, aber nicht die Tribus aufnimmt. Indes in den Censuslisten mag die Hinzufügung der Tribus schon sehr früh begonnen haben und galt für die Richterverzeichnisse nachweislich schon in der gracchischen Zeit. In den uns bekannten Gesetzen und Senatsbeschlüssen erscheint die Tribus erst gleichzeitig mit dem Cognomen, zuerst 676. Ebenso begegnet sie auf den Grab- und Ehreninschriften neben dem Cognomen zuerst um 664 und scheint erst in der caesarischen Epoche üblich geworden zu sein. So weit übrigens überhaupt die Tribus gesetzt wird, findet sie sich ohne Unterschied bei Patriziern wie bei Plebejern.

Die Hinzufügung der Heimat (domus) hängt schließlich mit der durchgeführten Municipalverfassung zusammen, welche sich, dem älteren römischen Gemeinwesen gänzlich fremd, in den letzten zwei Jahrhunderten der Republik allmählich entwickelt hat. Die Heimat kommt als Namensbestandteil erst in der Kaiserzeit vor und steht als jüngster Bestandteil des vollen römischen Namens an letzter Stelle, noch hinter dem Cognomen. Sie wird vorwiegend, jedoch nicht ausschließlich, den Männern des Mittelstands, zunächst den Soldaten, gegeben. Bei Personen senatorischen Ranges kommt sie nicht vor, denn ein Senator, der vor Antritt dieses Amtes einem speziellen Municipalverband angehört hatte, schied damit für sich und seine Nachkommen aus demselben aus.