Namengebung zwischen Spätantike und Mittelalter

Colosseum © TimeHacker - Fotolia.com
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Wir befinden uns in spätantiker und frühmittelalterlicher Zeit. In Süd- und Westeuropa haben sich in allen kulturellen Bereichen die römischen und christlichen Traditionen gegen die germanischen Traditionen durchgesetzt … In allen Bereichen? Nein! In der Namensgebung hat sich das System der germanischen Gesellschaften etabliert.

Beim germanischen System der zweigliedrigen Rufnamen handelte es sich um sogenannte „programmatische Namen“. Es basiert auf der Kombination zweier Wörter, die wahrscheinlich Heilswünsche für das Neugeborene beinhalteten.

Das Namenssystem der Oberschicht im antiken Rom bestand aus drei Teilen: dem Praenomen (Vornamen), dem Nomen Gentile (Familiennamen) und dem Cognomen (Beinamen). Dabei hatte nicht jeder Römer unbedingt einen dreiteiligen Namen. Standard war wohl je ein Praenomen und Nomen Gentile. Der Cognomen konnte dagegen ganz fehlen, andere Römer hatten sogar mehrere Beinamen. Der römische Cognomen kann als Vorläufer des heute obligatorischen Familiennamens angesehen werden.

Mit der Begegnung der Kulturen setzte sich im römischen Reich das einnamige germanische System durch. Noch heute findet man in den romanischen Sprachen viele Namen mit germanischem Ursprung.

Das Aufeinandertreffen des römischen und des germanischen Namensystems in Spätantike und frühem Mittelalter wurde an der Universität des Saarlandes im Rahmen des Projektes „Onomastik und Akkulturation“ („Namenforschung und Begegnung der Kulturen“) untersucht. Dabei sind einige sprachliche Phänomene aufgefallen:

Ein großer Teil der germanischen Namen bedeutet irgendetwas Gewalttätiges, zumindest im weiteren Sinn gesehen. Dazu gehören die Begriffswelten „Kampf und Krieg“, „kriegerische Eigenschaften“, „Waffen“ und „adeliges Selbstverständnis“ sowie ferner „Macht“ und „Herrschaft“. Konkret wurden die Namens aus den germanischen Wörtern mit den Bedeutungen „Kampf, Krieg“, „Krieger“, „Waffen und Rüstung“, „Speer“, „Pfeil“, „Stange“ gebildet. Im römischen Namenssystem gab es viel weniger gewaltorientierte Namen, wenn doch, dann handelte es sich eher um Beinamen mit den Bedeutungen „groß“, „muskulös“ oder „kräftig, stark, mächtig“.

Die alten Germanen haben sich auch gern Tiernamen gegeben, besonders „Bär“ und „Wolf“ standen hoch im Kurs. Angesichts der Vorliebe für gewaltorientierte Namen ist es wohl kein Zufall, dass hier ausgerechnet eher kämpferische Tiere als bevorzugtes Namensvorbild dienten. Auch bei den alten Römern gab es viele Namensformen, die mit „Ursus“ (lateinisch „Bär“) und „Lupus“ (lateinisch „Wolf“) gebildet wurden.

Aber wie hat das germanische Namenssystem das römische geprägt? Zum einen sind germanische Namensglieder aufgenommen worden und mit lateinischen Namensbestandteilen (vor allem Endsilben) kombiniert worden. Diese Neubildungen klingen lateinisch, lassen sich aber nur aufgrund der germanischen Sprache deuten. Andere Neuformen sind durch Übersetzung entstanden: Germanische Namen wurden ins Lateinische übersetzt und als Name benutzt.

Hintergrund:

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